Elefantöses – Elefanten in Deutschland
Werden Zoobesucher nach ihrem Lieblingstier gefragt, werden am häufigsten die Elefanten genannt. Elefanten faszinieren nicht nur durch ihre Größe und ihr Multifunktionsinstrument Rüssel, sondern auch durch ihr empathisches Sozialverhalten und ihre große Lernfähigkeit.
Auch Fred Kurt war schon als kleiner Knabe fasziniert von den grauen Riesen und erzählt:
»Ich war knapp fünf Jahre alt, als ich erstmals meine Mutter in die Stadt begleiten durfte. Sie musste zum Arzt und wollte noch zwei Besuche machen. Auf dem Weg zum Bahnhof begann es zu regnen. Plötzlich stand vor uns ein großes Zelt. Zahlreiche sonderbare Holzwagen standen herum. Etwas abseits hatte man kleinere Zelte aufgebaut. Aus dem großen Zelt klang Musik. ›Das ist der Knie‹, sagte meine Mutter, ›der Zirkus. Früher, bevor sie eine Spielzeit und Tiere hatten, waren die Knies Seiltänzer. Wenn sie nach Langenthal kamen, hängten sie das Seil, auf dem sie balancierten, an den Haken an, den man heute noch ganz oben an unserem Haus sieht, spannten es über die Marktgasse und befestigten es unter dem Dach des Hotel Löwen auf der anderen Straßenseite. Wenn sie dann wieder einmal bei uns in Langenthal sind, gehen wir in den Zirkus, aber heute müssen wir auf den Zug. – Chumm jetzt Bueb!‹
Ich war schneller als der Zugriff der mütterlichen Hand, rannte los in die Wunderwelt der farbigen Häuschen auf Rädern wie Eisenbahnwagen ohne Gleise. Eine breite Leinwand versperrt mir plötzlich den Weg. Kurzerhand tauchte ich unten durch, noch bevor meine Mutter mich am Kragen packen konnte. Dann waren sie plötzlich da: große graue Riesen, die ruhig ihre mächtigen Köpfe hin und her wiegten, mit ihren Rüsseln das Heu am Boden vor sich bündelten, bevor sie es in mächtige Mäuler hievten. Die Größe der Riesen war erschreckend, die Ruhe und die Wärme, die ihre mächtigen Körper ausstrahlten, machten aber das Zelt, das dem kalten Regen trotzte, heimelig warm, und ihre ruhigen, souveränen Bewegungen gaben Sicherheit. Wir kamen dann mit einem späteren Zug nach Langenthal.«
Im Unterschied zu vielen anderen Elefantenliebhabern ging das Interesse von Fred Kurt über diese erste Faszination hinaus. Bereits als Schüler fiel ihm auf, dass Zoo- und Zirkuselefanten meistens unbeschäftigt an Ketten standen und bestenfalls nachts von Menschen ungestört waren. Bis zu 22 Stunden am Tag an einem bis sogar allen Füßen durch Ketten fixiert, konnten die Elefanten maximal einen Schritt vor- und zurücklaufen – absolut nicht elefantengerecht.
Fred Kurt verschrieb sein Leben den Elefanten. Er studierte Zoologie und war dabei, als die erste moderne Studie an wilden Asiatischen Elefanten gemacht wurde. Lebensräume für wilde Elefanten sind rar geworden. Fred Kurt reiste zu den Orten, wo sie vorkommen, um sie tage- und nächtelang aus nächster Nähe zu beobachten. Dabei musste er feststellen, dass es in unserer heutigen Welt weder in Afrika noch in Asien »menschenfreie« Lebensräume für die Elefanten gibt. Mit seinen Publikationen wie Von Elefanten und Menschen, Haupt Verlag, Bern 2014, hat er dazu beigetragen, dass den Bedürfnissen von Elefanten in menschlicher Obhut – wie beispielsweise in Elefantenanlagen von Zoos – mehr Rechnung getragen wird.
In Deutschland leben zurzeit etwa 127 Elefanten – davon sind 74 Asiatische und 53 Afrikanische Elefanten.
Die meisten der 103 Elefantenkühe und 24 Elefantenbullen befinden sich in Zoos und Tierparks. Beispielsweise sind im Tierpark Hagenbeck in Hamburg sieben Asiatische Elefantenkühe und ein 2018 geborener Elefantenbulle zu sehen oder im Zoo Krefeld die beiden Asiatischen Elefantenkühe Rhena und Mumtas Mahal. Afrikanische Elefanten (7 Tiere – die Bullen Laci Jumaane und Ayo sowie die Elefantenkühe Veri, Umtali, Nelly, Bibi und Panya) gibt es in Deutschland beispielsweise im Serengetipark Hodenhagen, einem Tier- und Freizeitpark.
Ehemalige Zirkuselefanten bekommen im Elefantenhof Platschow (2 Asiatische und 8 Afrikanische Elefantenkühe) und im Erlebnispark Starkenberg (1 Asiatische und 3 Afrikanische Elefantenkühe) ihr Gnadenbrot. Asiatische Elefanten gelten als leichter zähmbar und sind daher insgesamt häufiger im Zirkus oder im Zoo anzutreffen als Afrikanische Elefanten.
Die Haltung von Zirkuselefanten ist besonders schwierig. Die geringen Platzverhältnisse der mobilen Unterkünfte (Stallwagen) und die Elefantendressur für die Manege lassen nur einen direkten Pflegerkontakt zu. Man unterscheidet drei Arten der Elefantendressur:
Showdressur
In früheren Zeiten bestand die Showdressur im Zirkus aus vielen artfremden Kunststücken wie dem Balancieren auf großen Bällen, dem Gang über zwei dicke Drahtseile oder dem einarmigen Handstand auf den Vorderläufen, was den Elefantenkörper extrem belastete. Solche spektakulären Kunststücke konnten auch nur mit brutalen Zähmungsmethoden wie Schlägen, Elekroschocks, massiven Futterentzug etc. erzwungen werden. Vorbildliche Elefantendompteure versuchen neue Wege zu gehen. Sie beschränken sich – ähnlich der Gehorsams- und Beschäftigungsdressur – auf natürliche Bewegungsabläufe der Elefanten wie Fußheben, Rüsselheben, Drehen, Hinlegen, Aufsitzen etc.
Gehorsamsdressur
Der Pfleger muss sich dem Elefanten gegenüber behaupten. Der Elefant muss lernen, bestimmte Befehle zu erkennen und auszuführen. Typische Übungen sind beispielsweise das Heben der Füße oder des Rüssels sowie das Ablegen auf dem Boden. Die Gehorsamsdressur findet auch in Zoos statt, sofern Elefanten dort im direkten Kontakt zu den Pflegern stehen.
Beschäftigungsdressur
Langeweile ist das größte Problem bei der Haltung von Elefanten. Die hochintelligenten Tiere, die in freier Wildbahn den ganzen Tag mit Umherstreifen und Fressen beschäftigt sind, fühlen sich in Gefangenschaft und auf begrenztem Raum schnell unterbeschäftigt. Dies führt mit der Zeit zu stereotypen Verhaltensstörungen wie dem sogenannten Weben. Um der Unterbeschäftigung entgegenzuwirken, werden den Elefanten kleine Tricks beigebracht, die im sonst eher eintönigen Zirkusalltag für Abwechslung sorgen sollen.
Den Elefanten ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten, ist auch in Zoos die wichtigste Aufgabe der Pfleger im Sinne eines artgerechteren Lebens. Dadurch wird nicht nur Langeweile verhindert, sondern auch der natürliche Bewegungs- und Beschäftigungsdrang der Elefanten gestillt. Tägliche medizinische Trainings und andere kleinere Übungen, ein Badebecken, Sandhaufen, Kreativität bei der Fütterung, welche die Feinmotorik und Beweglichkeit der Elefanten fördert, sowie Gegenstände wie Reifen oder Bälle zum Spielen oder Holzstämme zum Scheuern der Elefantenhaut – all das macht das Leben der Elefanten in Gefangenschaft erträglicher. Manche Zoos vergesellschaften ihre Elefanten mit anderen Tieren, halten eine ganze Herde, sodass alle mit der Aufzucht von Elefantenkälber beschäftigt sind oder geben den Elefanten die Gelegenheit, Spaziergänge außerhalb des Geheges zu machen. So konnten früher beispielsweise Zoobesucher in der Stuttgarter Wilhelma einen Elefantenausritt machen.
Moderne Elefantenhaltung
Nun wird in der Wilhelma Stuttgart und in anderen Zoologischen Gärten des Europäischen Zooverbandes (EAZA) die Haltung der hochsensiblen Elefanten umgestellt. Wilhelma-Direktor Dr. Thomas Kölpin teilte gemäß der Esslinger Zeitung vom 27. Mai 2019 mit: »Gemeinsam mit meinen Kollegen aus den anderen EAZA-Zoos haben wir im April entschieden, dass es ab 2030 keinen direkten Kontakt mehr zu den Elefanten geben wird.« Stattdessen wird nur noch der sogenannte geschützte Kontakt zwischen den Dickhäutern und ihren Pflegern erlaubt sein. Außerdem müssen Elefanten in ihrer natürlichen Sozialstruktur gehalten werden. Eine Herde besteht damit aus den Muttertieren mit ihrem Nachwuchs, die auch in der Wildbahn immer zusammenleben. Ausgewachsene Elefantenbullen können auch als Einzelgänger gehalten werden. Nur Junggesellen, die noch nicht geschlechtsreif sind, dürfen sich in einer kleinen Gruppe eine Anlage teilen.
Auch der Tierpark Berlin stellt seine Elefantenhaltung um. Seine Elefanten wurden zwischenzeitlich in den Zoo Halle umquartiert. Die Berliner Zeitung vom 8. März 2022 berichtete, dass Europas modernste Elefantenanlage in Kürze eröffnet werden soll. Zoo- und Tierpark-Direktor Andreas Knieriem möchte den Tierpark in einen sogenannten Geo-Zoo umgestalten. Die Tiere werden in diesem Tierhaltungskonzept ihrer Herkunft nach und nicht nach Tierarten gehalten. Das Dickhäutergehege wird sich im Zuge des Umbaus in eine Savannenlandschaft verwandeln, wo zukünftig Elefanten gemeinsam mit Zebras, Giraffen und Antilopen leben werden. Das Umbaukonzept verspricht mehr Platz (zehnmal so viel als vorher) und mehr Abwechslung für die Elefanten. Bei unserem nächsten Elefantenbesuch im Tierpark Berlin werden wir mit großem Interesse die neue Elefantenanlage in Augenschein nehmen, die den Elefanten ein artgerechteres Leben als bisher ermöglichen soll.
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