Elefantöses – Nicht immer gewinnt der Stärkere

In der hier beschriebenen Dreiecksbeziehung gibt es drei Mitspieler:
Akazien, Elefanten und Ameisen. Wer gewinnt das Spiel?

Flötenakazie (Acacia drepanolobium)
Die Flötenakazie ist eine strauchartige Pflanze, die bis zu sechs Meter hoch werden kann. In einigen Gebieten Ostafrikas wird die Flötenakazie zur Herstellung von Gummi arabicum kultiviert, woraus u. a. in der Medikamentenherstellung der Überzug von Dragees hergestellt wird. Rinde und Wurzeln werden für medizinische Zwecke genutzt.

Ihre langen Dornen bilden zum Teil große Hohlkörper, mit denen die Flötenakazie zu ihrem Schutz Ameisen zum Nisten einlädt. Daher wird sie auch Dornakazie oder Pfeifdorn genannt. Den deutschen Namen Flötenakazie bekam die Pflanze wegen der Flötentöne, die erzeugt werden, wenn der Wind durch die Löcher der Dornenhohlkörper pfeift, die Ameisen hineingebohrt haben, um sich Wohnraum zu schaffen. Die Insektenforscherin Kathrin Krausa erzählte in einem Interview mit Joachim Budde vom Deutschlandfunk am 15.08.2019, wie sich das anhört:

»Nachts, auch wenn man dann als Biologe alleine vielleicht Ameisenversuche macht, dann klingt das auch ein bisschen gruselig, also man erschreckt sich, es hat ein bisschen was Geisterhaftes, aber auch etwas sehr Schönes.«

Afrikanische Elefanten (Loxodonta africana)
Die Flötenakazie ist in den ostafrikanischen Savannen beheimatet. Da sie bei großer Trockenheit oft noch grünes Laub trägt, wird sie bevorzugt von Großsäugern wie Elefanten, Giraffen und Spitzmaulnashörnern aufgesucht. Doch es kann passieren, dass nur wenige Sekunden nach dem Abrupfen von Blättern genau an dieser Stelle viele Ameisen gemeinsam angreifen, die einen üblen Geruch verströmen und sehr bissig sind. Wie unangenehm für einen Elefanten, wenn eine ganze Armee von Ameisen in den Rüssel läuft, um ihre Wohnakazie aggressiv mit Bissen zu verteidigen!

Die Biologin Kathleen Rudolph von der University of Florida, die immer wieder erleben musste, dass weder Hut, lange Ärmel noch Gartenhandschuhe sie vor den vom Baum herabrieselnden Ameisen schützen konnten, bestätigt: »Die Tiere haben wirklich ein Talent darin, die besonders weichen und empfindlichen Hautstellen zu finden. Sie sind wahrhaft lästig.«

Sie fand heraus, dass die Ameisen nicht nur wissbegierige Wissenschaftler und große Blattfresser attackieren, sondern auch andere Ameisenkolonien, die ihnen das Revier streitig machen. Dabei zeigte sich etwas Erstaunliches: Siegerameisen programmieren Verliererameisen um! Die Änderung der Identität erfolgt vermutlich durch eine Änderung der Duftstoffe. Jedenfalls kämpfen die ursprünglichen Gegner in weiteren Auseinandersetzungen um die Flötenakazie in gemeinsamer Sache.

Kathleen P. Rudolph, Jay P. McEntee, Spoils of war and peace: enemy adoption and queen-right colony fusion follow costly intraspecific conflict in acacia ants, Behavioral Ecology, Volume 27, Issue 3, May-June 2016, Pages 793–802, https://doi.org/10.1093/beheco/arv219

Eine perfekte Schutzmaßnahme, die bestens funktioniert, um selbst große und starke Tiere wie Elefanten zu verjagen, die nicht nur die Blätter fressen, sondern oft auch noch den Stamm entrinden, ganze Äste abbrechen oder gar die ganze Akazie umstürzen! Sind die Elefantenbestände normal, erweisen sich Elefanten in diesem Dreiecksspiel jedoch nicht nur als Baumvernichter, sondern auch als Baumretter …

Ameisen (der Gattung Crematogaster)
Um sich gegen Fressfeinde zu wehren, lädt die Flötenakazie Ameisen – insbesondere der Gattung Crematogaster – zum Nisten auf ihr ein, indem sie Kost und Logis anbietet. Extra für die Ameisen produziert die Flötenakazie süßlichen Nektar als Nahrung und stellt Wohnraum in Form von großen Dornenhohlkörpern zur Verfügung. Als Gegenleistung strömen die Ameisen in großer Zahl aus, um ihren Hausbaum mit unangenehmen Bissen gegen gefräßige Angreifer zu verteidigen. Das klappt nur, weil sehr viele Tiere gemeinsam schnell reagieren. Eine einzelne Ameise könnte einen Elefanten nicht vertreiben.

Wie werden die Ameisen alarmiert?
Insektenforscher haben sich gefragt, woher die Ameisen so genau und so schnell wissen, an welcher Stelle ein Fressfeind Blätter abzurupfen versucht, um dann genau dort gemeinschaftlich angreifen zu können.

Visuelle Reize schieden aus, da die Ameisen relativ schlechte Augen haben. Chemische Reize kamen als Erklärung auch nicht in Frage, da diese verhältnismäßig langsam und stark vom Wind abhängig sind. Also untersuchte man mechanische Reize. Bei den Messungen wurde festgestellt, dass sich die vom Wind erzeugten Vibrationen deutlich von den durch fressende Säugetiere verursachten Vibrationen unterscheiden. Vibrieren die Zweige im Wind, bleiben die Ameisen entspannt. Wird die Flötenakazie allerdings angeknabbert, werden die oft mehr als 100.000 überall auf dem Baum verteilten Ameisen innerhalb kürzester Zeit alarmiert und orientieren sich sofort für eine schnelle gemeinsame Attacke in die Richtung, aus der die alarmierenden Vibrationen kommen.

Felix Hager, Kathrin Krausa: Acacia ants respond to plant-borne vibrations caused by mammalian browsers, in: Current Biology, 2019, DOI: 10.1016/j.cub.2019.01.007

Wären die Flötenakazien ohne die Elefanten besser dran?
1995 startete ein zehnjähriger Feldversuch – das Kenya Long-term Exclosure Experiment (KLEE). Mehrere Areale auf dem Laikipia-Plateau wurden mit einem 8000-Volt-Elektrozaun umgeben, sodass große Pflanzenfresser ausgesperrt waren. 2005 verglich die Arbeitsgruppe von Todd Palmer von der University of Florida diese abgesperrten Flächen mit entsprechenden Kontrollflächen ohne Zaun. Das Ergebnis war verblüffend. In den Schutzarealen waren doppelt so viele Bäume eingegangen und die übrigen wuchsen um 65 Prozent langsamer. Todd Palmer berichtet:

»Das Letzte, was man erwarten würde, ist, dass die einzelnen Bäume leiden, doch das ist genau das, was wir beobachten. […] Wenn die Großsäuger fehlen, verschiebt sich das Gleichgewicht der Mächte, weil die Bäume aus dem Handel ausgestiegen sind.«

Palmer, T.M. & T.P. Young. 2017. Integrating ecological complexity into our understanding of ant-plant mutualism: ant-acacia interactions in African savannas. Pp. 200-222 in: Oliveira, P.S. and Koptur, S., eds. Ant-Plant Interactions: Impacts of Humans on Terrestrial Ecosystems. Cambridge University Press, Cambridge.

Da es keine Fressfeinde gab, drosselten die Flötenakazien die Nektarzufuhr und die Bildung von Ameisenunterkünften rigoros, sodass sich die Ameisen neue Nahrungsquellen suchten wie beispielsweise Honigtau produzierende Schildläuse, die sofort begannen den Pflanzensaft der Flötenakazien anzuzapfen. Die Gattung Rotschwarze Cocktailameise (Crematogaster mimosa) wanderte meist ganz ab und überließ ihren Hausbaum der Gattung Crematogaster sjostedti, die mit ihren Duftstoffen einen Käfer anlockten, dessen Larven Gänge bohrten, die den Ameisen dann als Unterkunft dienten, der Akazie jedoch schadeten.

Kathrin Krausa von der Ruhr-Universität Bochum zieht hinsichtlich der Dreiecksbeziehung Akazie-Elefant-Ameise folgendes Fazit:

»Das zeigt ganz eindeutig, auf wieviel verschiedenen Ebenen diese Player in so einem Ökosystem miteinander vernetzt sind. Also wie komplex das ist und was da passieren kann, wenn man nur einzelne Mitspieler herausnimmt, welche schlimmen Folgen das haben kann.«

Übrigens, eine Ameisenart stutzte die Äste der von ihnen bewohnten Akazie selbst. Da die Akazie nicht unterscheiden konnte, wer an ihr knabberte, bewirtete sie ihre Bodyguards weiter. Das waren meiner Ansicht nach die eindeutigen Sieger in diesem besonderen Dreiecksspiel 😉! Ansonsten – wenn der Mensch keine »Schutzzäune« zieht – ist die Dreiecksbeziehung Akazie-Elefant-Ameise für alle drei eine mehr oder weniger gewinnbringende Form des Zusammenlebens.

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