Fotoausflug – 3 Ins Neue Palais zur Spitze des Kilimandscharo

»Am anderen Morgen steht sie für einen letzten Rundblick sehr früh auf. Sie möchte die Wildtiere fotografieren, die frühmorgens ans Wasserloch kommen. Die Zebras sind schon da. Auch die Singvögel sind schon wach. Plötzlich reißt sie staunend die Augen auf. Sie kann kaum fassen, was sie da sieht. Heute zeigt sich doch tatsächlich das ganze Kilimandscharo-Massiv völlig frei von Wolken und von der morgendlichen Sonne beschienen!

Sie könnte vor Freude in die Luft springen! Wow, was für ein überwältigender Anblick! Sie ist überglücklich, dass sich ihr Kindheitstraum nun doch noch erfüllt, und strahlt über das ganze Gesicht. Ihr Partner sieht ganz gerührt, dass in ihren Augen Freudentränen glitzern. Das sind Augenblicke des Lebens, die man nie mehr vergisst! Der höchste Berg Afrikas hat sich tatsächlich vor ihren Augen enthüllt. Wie oft hat dieser so geheimnisvoll klingende Name dieses Berges ihre kindliche Fantasie beflügelt. Das ist er also – der Kilimandscharo in natura.

Eine gelesene Textpassage aus Streleckys Buch »Safari des Lebens« kommt ihr in den Sinn: ›Genieße den Augenblick, solange er währt.‹ […] ›Es ist spektakulär‹, sagte ich, ›absolut spektakulär.‹ Ma Ma Gombe klopfte mir sachte auf die Schulter. ›Das ist es immer, wenn man seine Big Five for Life erfüllt, junger Jack.‹«
(Dieses und das nachfolgende Zitat stammen aus meinem Roman RELING, in dem ich im ersten Kapitel von der Reise unseres Lebens erzähle.)

Hier kannst du nachlesen, warum ich unbedingt einmal in meinem Leben den höchsten Berg Afrikas sehen wollte. In diesem Blogbeitrag geht es nicht um die Besteigung des Kilimandscharo, wie es meine Cousine Silvia getan hat, sondern darum, ob man unter den Tausenden von Muscheln und Gesteinen im Grottensaal des Neuen Palais in Potsdam die »Spitze des Kilimandscharo« finden kann. Weitere Fotos aus dem Neuen Palais findet ihr im Blogbeitrag Glanz und Gloria des Neuen Palais.

»Die höchste Stelle des Kibo hieß während der deutschen Kolonialherrschaft in Afrika ›Kaiser-Wilhelm-Spitze‹ und galt damals als höchster Berg des Deutschen Reiches.

Es war Hans Meyer, ein Leipziger Bergsteiger, Geograf und Forscher, der am 6. Oktober 1889 gemeinsam mit dem österreichischen Alpinisten Ludwig Purtscheller und dem einheimischen Bergführer Yohani Kinyala Lauwo den Kilimandscharo erstmals bestieg. Meyer entnahm damals eine Gesteinsprobe aus schwarzem Lavafels, um sie Wilhelm II. als Symbol der Inbesitznahme des Kilimandscharo durch Deutschland zu überreichen. Der deutsche Kaiser ließ den Felsbrocken 1890 mit anderen Steinen zu einem Dekorationsstück verarbeiten, nachdem er ihn zuvor als Briefbeschwerer benutzt hatte.

Es gibt Quellen, die besagen, dass dieser Stein bis heute im Muschelsaal des Neuen Palais in Potsdam besichtigt werden kann … Doch andere Quellen lassen verlauten, dass der Stein schon vor geraumer Zeit gestohlen wurde und durch einen anderen Lavabrocken aus Meyers Sammlung ersetzt worden ist.«

Geschichtliche Tatsache ist jedoch, dass bis zur vollen Unabhängigkeit Tansanias die höchste Erhebung des Kilimandscharo immer noch Kaiser-Wilhelm-Spitze hieß. Ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung Tansanias wurde die Wilhelmskuppe am 9. Dezember 1962 in Uhuru Peak (Freiheitsspitze) umbenannt.

Der berühmte Berg ist eigentlich ein ganzes Bergmassiv, das aus drei erloschenen Vulkanen besteht: Shira, Kibo und Mawenzi. Auf dem mittleren und gleichzeitig höchsten Berg, dem Kibo (5.895 m), existiert am Gipfelplateau noch ein kleiner Rest der gewaltigen Eiskappe, die einst diesen höchsten Gipfel des Kilimandscharo-Massivs krönte. Zwischen 1912 und 2009 ist die Eiskappe des Kibo von 12 Quadratkilometer auf knapp 2 Quadratkilometer geschrumpft, ein Flächenverlust von 85 %. Aufgrund der fortschreitenden globalen Erwärmung prognostizieren heutige Forscher, dass in den kommenden Jahrzehnten auch noch die letzten Eis- und Schneereste vollends abschmelzen werden.

Nun stand ich im riesigen Grotten- bzw. Muschelsaal des Neuen Palais und hielt Ausschau nach dem dunklen Lavastein von der Spitze des Kilimandscharo, dessen eingedeutschter Name Weißer Berg oder nach alter afrikanischer Vorstellung Thron der weißen Schlange bedeutet. Nach der Besichtigung der prachtvollen Königswohnung im Neuen Palais im Park Sanssouci in Potsdam war ich sehr gespannt: Würde ich tatsächlich im berühmten Grotten- bzw. Muschelsaal des Neuen Palais die »Spitze des Kilimandscharo« zu sehen bekommen?

Wir waren sehr beeindruckt von der künstlerischen Ausgestaltung des prächtigen Grottensaals, der damals als modisch galt. Besondere Steine und Muscheln, die an fernen Orten gesammelt und von Entdeckern nach Europa gebracht wurden, waren ein beliebtes Geschenk bei der europäischen Aristokratie. Solche exotischen Mitbringsel wurden als Ausdruck ihrer Weltgewandtheit gesehen.

Ich fragte nach der »Spitze des Kilimandscharo«, denn ich konnte nirgends einen runden Stein aus dunklem Lava entdecken, den Kaiser Wilhelm II. in den Wandschmuck des Grottensaals hatte einarbeiten lassen. Der Schlossführer deutet mit seiner Hand auf die Nordseite des Muschelsaals. Wie enttäuscht war ich, als ich feststellte, dass dieser Bereich für Besucher nicht zugänglich war! Ich hakte nochmals nach, wo denn genau der Stein verbaut worden war, denn mit meinem Zoomobjektiv hätte ich auch aus der Ferne ein Foto machen können. Doch ich musste feststellen, dass die »Spitze des Kilimandscharo« ein eher wenig beachtetes Detail im Grottensaal des Neuen Palais ist. Doch es ist verständlich, dass lieber von Preußens sprichwörtlichem Glanz und Gloria erzählt wird, als vom Anspruch des Deutschen Reiches auf das sogenannte »Deutsch-Ostafrika« als Kolonie (1885-1918).

Die genaue Stelle des von mir gesuchten dunklen Lavasteins wurde mir also nicht gezeigt, stattdessen bekam ich einen Hinweis darauf, dass das Originalstück sowieso nicht mehr zu sehen wäre. Das ist richtig, denn Wissenschaftler, die Anfang der 1980er in mühsamer Detailarbeit sämtliche Mineralien des Grottensaals bestimmten, fanden heraus, dass der vermeintliche Gipfelstein gar nicht aus Lava bestand, sondern aus Biotitschiefer, wie es häufig in deutschen Mittelgebirgen vorkommt, nicht jedoch im Kilimandscharomassiv. Es wird erzählt, dass bei Renovierungsarbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg der Originalstein versehentlich zu Bruch ging und vermutlich von einem Arbeiter durch ein ähnlich aussehendes Stück ersetzt wurde, das er im Schotter vor dem Schloss fand. Das Zentrale Geologische Institut Berlin hat allerdings adäquaten Ersatz gespendet: ein Stück Lava aus der Gesteinssammlung, die Hans Meyer von seiner ersten Expedition auf den Kibogipfel mitgebracht hatte.

Da ihr jedoch sicherlich schon mit mir auf dieses Höhepunktfoto von der »Spitze des Kilimandscharo« hingefiebert habt, greife ich an dieser Stelle auf das Foto eines anderen Fotografen von 2010 zurück:

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