Fotoausflug – Zeitreise ins slawische Mittelalter
Stary Lud (Das alte Volk) heißt der Freilichtkomplex hinter dem Heimatmuseum von Dissen (Dešno), in dem das dörfliche Leben vor etwa 100 Jahren im Mittelpunkt steht. Nördlich von Dissen, das an der Landesstraße von Cottbus (Chóśebuz) nach Striesow (Strjažow) liegt, fließt die Spree (Sprjewja). Die Namen in Klammern, deren Klang wahrscheinlich fremd anmutet, wurden von slawischen Siedlern aus dem Stamm der Lusizer vergeben, die ab dem 6./7. Jahrhundert die Lausitz besiedelten.
Der fränkische Chronist Fredegar, dessen Chronik auch die Grundlage meines gerade entstehenden historischen Bildungsromans ist, erwähnt 631 erstmals einen zwischen Saale und Elbe ansässigen westslawischen Stammesverband namens »Surbi«. Die Eigenbezeichnung der Sorben in der Niederlausitz ist »Serby«. Da ich mich schriftstellerisch auch gerade um die Zeit des Frühmittelalters bewege, fand ich es hochinteressant, einen Blick in die Grubenhäuser werfen zu können und zu sehen, wie die Menschen vor über 1000 Jahren im slawischen Mittelalter (800 – 1200 n. Chr.) gelebt haben.
An einem Zeitstrahl entlang gelangten wir zu einem Siedlungsausschnitt, der gemäß archäologischen Funden rekonstruiert wurde. Die kleine Ansiedlung mit fünf Grubenhäusern ließ uns ins slawische Mittelalter zurückreisen.
(Man brauchte etwa eineinhalb Stunden, um genug Mehl für ein Brot zu mahlen.)
Archäologen vermuten pro slawischer Siedlung etwa 10 bis 15 Häuser, was bedeutet, dass in so einem von Slawen gegründeten Dorf zwischen 40 und 60 Menschen lebten. Neben den nachgebauten reedgedeckten Grubenhäusern von Stary Lud gab es auch Blockhäuser und Häuser mit Lehmwänden. Jede Siedlung hatte entweder einen Brunnen oder man siedelte an einem fließenden Gewässer. Anstelle eines Wasserklosetts, wie wir es heute haben, hob man hinter den Häusern Erdlöcher aus; waren diese voll, wurde neue ausgehoben.
Gekocht wurde auf kleinen Feuerstellen. In dieser Zeit gab es keine rauchfreien Räume. Der Rauch sammelte sich an der Decke und zog über Rauchabzugslöcher ab.
Eine Truhe war etwas Besonderes. Sie diente als Kleiderschrank und Aufbewahrungsort für Wertvolles.
Die Slawen hielten schon Pferde, Kühe, Schafe, Ziegen, Hühner und Gänse als Haustiere. Auch betrieben sie eine intensive Waldbienenzucht (Zeidlerei). Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Hafer, Emmer, Dinkel aber auch Hülsenfrüchte wie Erbsen und Linsen nutzte man gern als Nahrungsmittel. Neben Kohl und Zwiebeln schätzte man auch Äpfel, Birnen, Pflaumen und Haselnüsse. Nur etwa 5 Prozent machte die Jagd aus.
Die Kleidung bestand meistens aus Leinen und Schafswolle, aber auch Hanf und Nessel. Neben der Landwirtschaft haben die Slawen im Frühmittelalter selbst gesponnen, gewebt, gefärbt, Körbe geflochten, getöpfert und Holzarbeiten ausgeführt. Mithilfe von einheimischen Pflanzen wurde auch schon bunt gefärbt. Kamille und Rainfarn) ergaben gelbe bis braune Farbtöne. Mit Eisenspänen entstand ein Grünton. Blau (aus Waid) und Rot (aus Labkraut und Krapp) waren schwer zu gewinnen.
Dissen gehört zu den storchenreichsten Orten Deutschlands – das erfuhren wir von einer Einheimischen, bei der wir eine Soljanka probierten, welche früher zu den beliebtesten Eintöpfen der DDR-Gastronomie gehörte. 30 Störche hätten diesen Sommer in Dissen gebrütet. Auf dem Spreeauenhof gibt es eine Ausstellung über Meister Adebar, der übrigens vielerorts als Glücksbringer gilt, und per Kamera bietet sich ein Blick ins Storchennest. Doch dieses Jahr waren die Weißstörche schon ausgeflogen; am 20. August hätten sie den Abflug gen Afrika gemacht. So mussten wir uns mit einem Foto vom hölzernen Storch begnügen.
Wir machten uns auf in Richtung Spreeauenlandschaft, die mit ihren seltenen Pflanzen- und Tierarten als besonders sehenswert angepriesen wurde. Es hieß, das Gelände sei für Besucher frei zugänglich und der direkte Kontakt mit den zur ökologischen Landschaftspflege angesiedelten Auerochsen, Wasserbüffeln und Wildpferden möglich. Wir sahen allerdings auf dem sogenannten Auerochsenweg kein einziges dieser Tiere.
Einzig eine aufgescheuchte Amphibie hüpfte uns über den Weg – vielleicht eine Rotbauchunke? Eine scharfes Foto war nicht möglich, denn sie tauchte schnell ins Fließ ein und schwamm mit ein paar kräftigen Schwimmzügen ans andere Ufer. Trotz allem (auch der Mücken) – wenigstens ein kleines schönes Tiererlebnis in der herbstlichen Spreeauenlandschaft bei Dissen.
(Die Freude einer Fotografin über das prächtige Pilzmotiv.)
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