Buchvorstellung – »Abenteuer Leben oder Wie ich ein kleiner Bergsteiger wurde …«

Cover fürs Buch »Abenteuer Leben oder Wie ich ein kleiner Bergsteiger wurde«

Freiheit ist,
seine Gedanken denken und
sein eigenes Leben leben zu dürfen.
John F. Kennedy

Dies war eines der Lieblingszitate meiner Cousine Silvia Schweizer (* 27. August 1970, † 27. Mai 2023), die mit 52 Jahren viel zu früh verstorben ist. In ihrem Buch »Abenteuer Leben oder Wie ich ein kleiner Bergsteiger wurde …«, Selbstverlag, 2010 schrieb sie zu diesem Zitat: »In diesem Sinne dachte und träumte ich – wo und wann immer ich wollte – vom Unterwegssein und von einem Leben in meinen geliebten Bergen.« Gewidmet hat Silvia die autobiografische Schilderung ihren Eltern, die es ihr ermöglichten, mit beiden Beinen im Leben zu stehen, vor allem aber ein kleiner Bergsteiger zu werden, der sich auf die Gipfel und durchs Leben kämpfen konnte.

Silvias Buch beginnt mit Auszügen aus ihren Tagebüchern, die sie als junges Mädel von 10 bis 20 Jahren verfasst hat, die auf authentische Weise zum Ausdruck bringen, wie sie ihr Abenteuer Leben empfunden hat. Aus jeder Seite spricht ihr tatendurstiger Freiheits- und Bewegungsdrang, ihre herzinnigliche Verbundenheit mit der Natur und ihr tief empfundenes Lebensglück. Es war für mich tröstlich zu erkennen, dass Silvia ihr Leben nicht versäumt, sondern voll ausgekostet hat. So lässt sie uns am Schluss ihres Buches wissen:

»Mit jeder Seite, die ich an diesem Buch geschrieben habe, merkte ich, wie ich darin aufging, wie schön es ist, all die unvergesslichen Momente meiner Reisen nochmals zu durchleben. […] Ich liebe mein Leben und ich genieße es in vollen Zügen. Jedes Jahr an Silvester nehme ich mir vor, das Leben noch mehr auszukosten nach dem Motto: ›Die Welt gehört dem, der sie genießt!‹ So habe ich auch ein großes Gefühl der Zufriedenheit und Dankbarkeit in mir. Ich bin gesund, habe schöne Hobbys [Bergsteigen, Klettern, Skifahren, Radfahren, Motorradfahren, Wandern, Fotografieren, Keyboard], bin in einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen, habe Geld für die Erfüllung meiner Träume [dank ihrer Arbeit als Drucktechnik-Ingenieur] – was will man sich mehr wünschen.«

Silvia blühte immer auf in den Wochen, in denen sie mit ihrer Familie als Mitglied im Deutschen Alpenverein in den Bergen von Hütte zu Hütte unterwegs war. Das war ihr Leben! Voll Abenteuerlust und Entdeckerdrang! Und was gab es Schöneres als ein herzhaftes Lachen – in ihren Ohren ein eindeutiges Zeichen für einen glücklichen Moment im Leben!

Mit elf Jahren sollte sie in der Schule einen Aufsatz schreiben über ihr schönstes Urlaubserlebnis. Sie beschrieb den einwöchigen Aufstieg zur Zugspitze – mit 2.962 m ü. NHN der höchste Gipfel des Wettersteingebirges und gleichzeitig Deutschlands höchster Berg. Sie erinnerte sich an diesen Augenblick des reinsten Glücks, in dem sie die Welt und sich selbst vergass, an das Einssein von Raum und Zeit, an Gefühle des Jubels, aber auch der Andacht angesichts der Erhabenheit und Schönheit der Berge. Ihr letzter Satz im Schulaufsatz lautete: »Ich fühlte mich frei, frei wie ein Vogel im Wind.« Demgegenüber empfand sie es als bitteren Kelch, zu Beginn des neuen Schuljahrs wieder ins Klassenzimmer eingesperrt und durch Stundenpläne eingeengt zu sein. Innere Aufrichtung fand sie in Worten wie diesen:

Genieß die Gegenwart mit frohem Sinn,
sorglos, was dir die Zukunft bringen werde.
Doch nimm auch bittren Kelch mit Lächeln hin
– vollkommen ist kein Glück auf dieser Erde.
Horaz

Es war die Rückkehr zum ursprünglichen Leben in und mit der Natur, was Silvia an der Zeit, die sie in den Bergen verbrachte, so faszinierte: mit vielen Widrigkeiten kämpfen und sich durchbeißen zu müssen, sich dabei einigen Gefahren auszusetzen, aber auch wunderschöne Momente des Glücks und des Stolzes am Gipfel oder auf dem Weg dorthin zu erleben. Glaubhaft vermittelte Silvia durch ihre Erzählungen, wie sie bei all der Einfachheit in den Hütten und beim schlichten Gehen durch die Natur Erfüllung fand.

Wenn Silvia in den Bergen unterwegs war, existierte grundsätzlich ein Hochgefühl in ihr, das auch »kleinere Wehwehchen wie Muskelkater, Blasen oder Schnittwunden an den Füßen, Sonnenbrand oder Ähnliches [wie beispielsweise ein Schild ›Die Hütte ist geschlossen‹ am Ende einer langen Bergwanderung bei Regen, Donner, Blitz und Hagel]« nicht trüben konnten. Auch nach einem Weg quer durch Dornenbüsche, Hecken und Sträucher und Brennesseln, der sie so zerkratzte, als ob ein Tiger an ihr hochgesprungen wäre, lässt Silvia uns wissen: »Wenn ich längere Arme hätte, würde ich die ganzen Berge am liebsten umarmen. […] Die Berge sind das pure Leben, und es ist ein wahnsinniges Gefühl, einfach nur zu leben.«

Das Gefühl nach einer Bergtour empfand sie als berauschend: Der Körper war erschöpft, doch der Kopf ganz frei! Aufgrund ihrer optimistischen Lebenseinstellung wurde aus Silvia ein »quietschfideles Menschenkind«, das einfach nur glücklich war, wenn sie in der Natur unterwegs war. Das Rauschen eines Bächleins – Musik in ihren Ohren. Eisschollen in einem Bergsee – erzeugten eine faszinierende Stimmung wie in der Antarktis. Ein Blatt, ein Sonnenstrahl, eine Landschaft und vor allem die geliebten Berge hinterließen in ihr bleibende Eindrücke von Kraft, Schönheit und Freiheit.

Sehr berührt hat mich ihre bezaubernde Schilderung eines Tiererlebnisses:
»Auch ein Murmeltier bescherte mir in den Alpen ein Ereignis, das ich nie vergessen werde. Ich spazierte als Erste den Weg zur Hütte hinauf, als mir ein Murmeltier auf dem schmalen Bergpfad entgegenkam. Es schien keine Scheu zu haben, also ging ich, wie bei einem Kätzchen, das ich streicheln wollte, in die Knie und streckte dem Murmeltier meine Hand entgegen. Und wie ein kleines Kätzchen, das gestreichelt werden möchte, kam es zu mir her, berührte mit dem Kopf meine Hand und begann meine Waden abzuschlecken. Ob ihm nun die Sonnencreme oder das Salz auf meiner Haut so sehr geschmeckt hat, kann ich nicht beurteilen, auf jeden Fall ging das fünf Minuten lang so. Es ließ dann sogar zu, dass ich es währenddessen am Köpfchen und am Rücken streicheln durfte. Das Fell war ganz weich, viel weicher und kuscheliger als ich vermutet hatte. Diese paar Minuten werde ich sicher nie vergessen, da es für mich etwas ganz Besonderes war, ein in der Wildnis lebendes Tier so zutraulich zu erleben und ihm so nahe kommen zu dürfen. Es war eine ganz außergewöhnliche und höchst erfreuliche Begegnung.«

Ihre beeindruckende Begegnung mit Reinhold Messner schildert sie so:
»Es war ein faszinierendes Gefühl, vor ihm zu stehen. Ich dachte nur, diese Hände, die gerade das Buch signieren, waren auf allen Achttausendern der Erde, dieser Mann stand auf allen Achttausendergipfeln der Welt! Er hat das Größte geschafft, was sich ein Bergsteigerherz wünschen kann.« (nach einem Lichtbildervortrag von Reinhold Messner im Jahr 1987). Im gleichen Jahr schrieb sie ihm ein paar Zeilen, mit denen sie ihre große Bewunderung dafür zum Ausdruck brachte, dass er dem Weg seines Herzens gefolgt war und genau das gemacht hatte, wovon sie selbst wegen ihrer Kniearthrose nur träumen konnte. Ihr großes Vorbild schrieb zurück: »Liebe Silvia, ich habe Ihren Brief ganz gelesen. Sie haben sicher die Energie, Ihren ganz eigenen Weg zu gehen. Nur, er ist sicher nicht wie meiner, sonst wäre er falsch. Also gehen Sie den Ihren. Alles Gute dabei, Ihr Reinhold Messner.«

Etwas verbindet mich mit den Bergen,
etwas zieht mich immer wieder dorthin,
etwas erweckt Sehnsucht in mir, wenn ich an sie denke,
etwas erfüllt mich
mit vollkommener Glückseligkeit,
wenn ich in ihrer Nähe bin;
ich kann dieses Gefühl

nicht beschreiben,
so wie man das Gefühl
zweier sich liebenden Menschen
nicht beschreiben kann.
Es muss wohl Liebe sein.
Silvia Schweizer

Abenteuer Leben
»Es ist gefährlich. Doch genau das brauche ich. In den Momenten, in denen man sterben könnte, fühlt man intensiv, dass man lebt. Und je mehr Extremsituationen man gemeistert hat, umso mehr Kraft hat man.« Immer wieder stellte Silvia mit jeder Faser ihres Körpers fest, dass das Leben in den Bergen um ein Vielfaches intensiver war als in der Zivilisation:

1989 Venedigergruppe
»Der Schneesturm wandelte sich bald in einen Eissturm: Feine Eisnädelchen stachen einem ins Gesicht, die Brille beschlug sich, die Augen, getroffen von einigen Eisstückchen, die ihren Weg oben durch die Gletscherbrille fanden, fangen durch die hineingelaufene Sonnencreme dann noch herzlich an zu brennen, man sah keinen Weg, alles nur verschwommen und schemenhaft, und stolperte dem Vordermann und dem Seil hinterher. Manchmal war der Wind so stark, dass wir stehen blieben und ihm den Rücken kehrten, um nicht alles ins ohnehin durchweichte Gesicht zu bekommen. Auch beim Abwärtsgehen musste [Bergführer] Sepp wieder einen Weg über die versteckten Spalten finden …«

Größtes Abenteuer des Lebens
1990 Himalaya-Gebirge
»Der Traum, einmal im Himalaya zu sein, war größer als jede Bedenken, und so stürzte ich mich ins größte Abenteuer meines Lebens! […] Vor der Reise sagte ich mir: ›Einen Zehen würde ich opfern.‹ […] Wir hatten nachts manchmal bis zu minus dreißig Grad Celcius. Wenn man morgens aufwachte, rieselten einem die Eiskristalle des gefrorenen Atems, die sich innen an der Zeltkuppel in der Nacht gebildet hatten, auf die Stirn. Selbstverständlich schliefen wir mit allen Klamotten, doch selbst diese tausend Schichten hielten einen manchmal nicht genügend warm. Das Schlimmste war immer das Einschlafen, das mit kalten Zehen einfach nicht geht. Ich rieb mir immer circa zwei Stunden die Füße, bis meine Zehen eine Temperatur hatten, die mich einschlafen ließ. Gegen die kalte Nase war man meistens machtlos, denn wenn man sie in den Schlafsack steckte, bekam man keine Luft mehr. Mütze und Handschuhe hatten wir sowieso an.«

»Wir hatten immer einen Bärenhunger aufgrund des hohen Kalorienverbrauchs. Hunger ist auch etwas Schlimmes, wobei ich ihn sicher nicht in einer sehr ausgeprägten Form kennengelernt habe. Wir hatten auf unserem Weg über den Amphu-Laptsa-Pass einiges von unseren Lebensmittelvorräten verloren, da wir uns und unser Gepäck abseilen mussten, und so einige Kartoffeln, Eier und dergleichen aus den Tragekörben herausfielen und in den Gletscherspalten des Himalaya verschwanden. Am letzten Tag bekam jeder nur noch ein hartgekochtes Ei zum Frühstück, dann gab es den ganzen Tag nichts mehr. […] Den schönsten Geruch in den dreieinhalb Wochen verströmte ein Schokoladenpudding, den ein Teilnehmer von Deutschland mitgebracht hatte und ihn in einer Höhe von 5.000 Metern zubereitete. Er gab jedem ein paar Löffel ab, ich glaube, er hätte das sonst auch nicht überlebt, weil wir wie Hyänen über ihn hergefallen wären.«

Am Mera Peak erreichte Silvia, nachdem sie erste Erfahrungen mit der Höhenkrankheit gemacht hatte, ihre höchste Höhe mit 6.100 Metern, bevor die Gruppe aufgrund von Lawinengefahr umdrehen musste. Doch von dort aus hatte sie einen wundervollen Blick zum Gipfel des Mount Everest (8.848 m ü. d. Meer). Silvia schrieb: »Dieser Anblick war majestätisch! Überhaupt ist alles viel größer im Himalaya, nicht nur die Berge, auch die Blumen, die Enziane – es ist einfach ein Gebirge der Superlative. Und ich hatte mein Ziel erreicht, meinen größten Traum erfüllt: Ich war am Mount Everest, dem höchsten Berg der Welt! Es war gigantisch! Die ganze Reise war so beeindruckend und überwältigend, mit nichts zu vergleichen, einfach nur ein einziges großes Abenteuer! […] Seit diesem Erlebnis weiß ich, dass man viel mehr leisten kann, als man denkt. Man muss es nur versuchen und wollen. Das war einer der Momente, der mich stark gemacht hat für mein ganzes Leben.«

Schweizer Herkunft
2000 Zermatt
Silvia fühlte sich sofort heimisch in Zermatt, einem idyllischen, verträumten Bergdorf am Fuße des Matterhorns mit seiner außergewöhnlichen Pyramidenform. Ein Grund für ihre Gefühle der Verbundenheit könnte gewesen sein, dass – wie eine private Ahnen- bzw. Familienforschung ergab – die Familie Schweizer bis vor 500 Jahren noch dort gelebt hat, bevor sie über den Walserweg, das Kleinwalsertal, nach Gerlingen bei Stuttgart gezogen ist.

Eindrucksvollster Gipfeltag
2005 Ötztaler Alpen
Die Nordwand der Hinteren Schwärze ist eine 300 Meter hohe Eiswand mit einer Steilheit von etwa 60 Grad, die einem senkrecht vorkommt, wenn man in der Wand steht, nur mit den vorderen Zacken der Steigeisen Kontakt habend und mit Eispickeln ausgerüstet. Ist man in der Wand, gibt es kein Zurück mehr. Abseilen ist nicht möglich: »[Bergführer] Sepp ging voraus, setzte Eisschrauben und sicherte mich beim Nachsteigen. Wir waren ungefähr drei Stunden in dieser Senkrechten und arbeiteten uns Meter um Meter nach oben. Wie Spiderman! Die Waden schienen gegen Ende fast zu platzen, und wären sie durch meine 6.000 Kilometer Radfahren pro Jahr nicht so gut trainiert gewesen, ich glaube, ich hätte einen Wadenkrampf bekommen. Das ist nicht lustig in so einer Wand. Es waren atemberaubende Eindrücke. Wir »klebten« an der Wand, unter und über uns war nichts, nur Luft. Die Ausblicke waren grandios. […] Doch der Zug am Seil holte einen wieder in die Realität zurück. […] Dieser Tag gehört zu den eindrucksvollsten Gipfeltagen, die ich je erlebt habe.«

Silvias Träume
Am 1. Oktober 2008 war es soweit. Silvias lang geplantes, freies Jahr begann. Ein Jahr lang konnte sie ab jetzt dorthin gehen, wohin ihr Herz sie trug, hatte die Freiheit, aufzubrechen, wohin sie wollte! Was waren ihre Träume? Nun, sie wollte einmal auf dem Kilimandscharo stehen, einmal in Kanadas Schnee Skifahren und einmal auf ihrer Trauminsel Hawaii gewesen sein (dort ist der Mauna Kea – der höchste Berg von Hawaii und wenn man die Höhe unterhalb der Meeresoberfläche mit einbezieht mit 10.203 Metern der tatsächlich höchste Berg der Erde) – und sie wollte in ihrem freien Jahr unbedingt dieses Buch schreiben.

Als sie sich beim Orthopäden wegen ihrer Kniearthrose untersuchen ließ, konnte dieser keine Arthrose mehr feststellen. Wie war das möglich? Ihr Arzt: »Eine spezielle Knorpelart, der Knorpel hinter der Kniescheibe, lässt sich eventuell wieder aufbauen, allerdings nur durch eine spezielle Sportart: das Radfahren.« Silvia: »Ich fahre im Jahr 6.000 Kilometer mit dem Rad.« Arzt: »Dann haben Sie instinktiv genau das Richtige gemacht.«

Für Silvia kam das einem kleinen Wunder gleich: »Das war der Moment, wo ich meinen Arthrose-Knien unendlich dankbar war: Obwohl sie ja grundsätzlich als etwas Negatives einzuordnen sind, so war doch das Gute an ihnen, dass ich sportliche Pläne nie aufgeschoben habe und dass ich mir nun den Traum erfüllte, mein freies Jahr vor dem vierzigsten Lebensjahr zu genießen. Und habe ich noch mein freies Jahr geplant mit dem Gedanken, dass es vielleicht die letzten großen Abenteuer sein würden, die ich in dieser Zeit erlebe, so konnte ich mir nun sagen: ›Danach geht mein Leben genauso abenteuerlich weiter!‹ Ich tanzte die Treppen in der Arztpraxis herunter.«

Auf dem Kilimandscharo
2008
Als Silvia in Nairobi in Kenia landete, war es Nacht, doch ein riesiges Plakat wurde von mehreren Lampen angestrahlt und begrüßte sie in Afrika. Ihr (und übrigens auch unser) Lieblingslikör war darauf abgebildet: Amarula. Es gab einen ganz speziellen Grund, warum Silvia einmal auf dem Gipfel des Kilimandscharo stehen wollte: Weil sie mit dem Entdecker des Kilimandscharo, dem Gerlinger Johannes Rebmann, mütterlicherseits verwandt war, denn Johannes Rebmann war der Bruder des Großvaters ihrer Urgroßmutter. Als erster Europäer hatte er am 11. Mai 1848 den Kilimandscharo entdeckt und über den schneebedeckten Berg in Afrika berichtet.

Silvia beschrieb auch, wie beeindruckend es war, bei ihrer ersten Kilimandscharo-Besteigung vor dem ihm zu Ehren benannten Rebmann-Gletscher zu stehen, da dieser nicht flach auslaufe und in einer Gletscherzunge ende wie die Gletscher in den Alpen, sondern weil man vor einer bläulich-weißen, meterhohen, senkrechten Eiswand stehe. Danach – nach weiteren 200 Höhenmetern ab dem Gillman’s Point – erreichte sie am 19. Oktober 2008 morgens um 8 Uhr den höchsten Punkt Afrikas, den 5.895 Meter hohen Uhuru Peak des Kilimandscharo, den sogenannten Freiheitsgipfel. Das Kilimandscharo-Abenteuer endete mit einer Feier des 64. Geburtstages eines Bergkameraden mit köstlichem Himbeergeist und der Urkundenüberreichung.

Es ist traumhaft, wunderbar
auf dem Dach von Afrika:
über wilden Palmenwipfel
stand ich auf dem Kili-Gipfel,
durch den Staub und hoch die Wand
kämpften wir zum Kraterrand,
das Gesicht schon halb vereist,
trank jeder einen Himbeergeist,
war der Weg auch hart und steil,
es war gigantisch schön: Berg Heil!

Silvia Schweizer

2009
Ihre zweite Reise auf einer anderen Route zum Gipfel des Kilimandscharo hat Silvia wie eine Meditation empfunden, man käme in der einen Woche langsamen Gehens vollkommen zur Ruhe: »Das Schöne daran ist, dass man diese Glücksgefühle auch über Jahre in sich tragen und immer wieder nachempfinden kann, wenn man sich diese traumhaften Augenblicke zurück ins Gedächtnis ruft. In traurigen Stunden kann das wahre Wunder wirken.« Am Fuße des Kilimandscharo feierte Silvia ihren 39. Geburtstag und schrieb auch einen Reisebericht über diese zweite Kilimandscharo-Besteigung, der im Gerlinger Anzeiger veröffentlicht wurde. An der Stelle, von wo aus Johannes Rebmann den Kilimandscharo das erste Mal gesehen hatte, steht ein Gedenkstein: »Es war ein ganz besonderer Moment, dort zu stehen. Ich hatte das Gefühl, dass sich erst jetzt ein Kreis schließt.«

Das Glück wohnt in uns
Mir hat Silvias Lebensanschauung über das Glück gefallen: Für jeden bedeute Glück etwas anderes. Jeder müsse auf seine Weise glücklich werden. Man solle sich nicht daran orientieren, was andere denken oder tun. Das sei der falsche Weg. Jeder sei ein Individuum und habe demzufolge andere Wünsche und Träume. Das sei auch gut so. Auf jeden Fall ließe sich mit einer optimistischen Lebenseinstellung Glück leichter finden und empfinden, und eine positive Nebenerscheinung eines glücklichen Lebens sei, dass man jung bleibe – sowohl im Kopf als auch äußerlich. Träume solle man verwirklichen, etwas wagen, nichts aufschieben und aus dem Erlebten lernen und Kraft schöpfen. Kein Misserfolg im Leben sei so schlimm wie das Gefühl, das Leben verpasst zu haben. Man solle in einem Berg kein Problem, sondern eine neue Herausforderung sehen. Sie glaube an das Glücksprinzip V = R (Vorstellung = Realität) – wenn die Realität unseren Vorstellungen entspräche, dann seien wir glücklich. Das nenne ich lupenreines Rüssel hoch!

Auf das Leben!
Halb voll oder halb leer, fragt der Kopf.
Jeden Schluck genießen, sagt das Herz.

Nun weilt Silvia nur noch in unserer Erinnerung. Das schmerzlichste Gefühl, das man empfinden könne, so schrieb sie, sei, wenn man einen geliebten Menschen vermisse, weil er gehen musste. Ihr halfen in solchen Zeiten der Trauer die folgende Worte, die aus einem Film in ihrem Gedächtnis geblieben waren: »Wenn du einen Vogel am Himmel fliegen siehst und er verschwindet in den Wolken, dann kannst du ihn nicht mehr sehen, aber er ist nicht verschwunden, er ist nur ein Stück weitergegangen …«

Danke, Silvia, dass du uns einen Großteil deines Abenteuers Leben und deine daraus gewonnenen Lebensweisheiten schriftlich hinterlassen hast. Eines der vielsagenden Zitate in deinem Buch soll den Schluss dieses ausführlichen Nachrufs bilden:

Das einzig Wichtige im Leben
sind die Spuren von Liebe,
die wir hinterlassen,
wenn wir gehen.
Albert Schweitzer

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4 Kommentare
  1. Bärbel Götz
    Bärbel Götz sagte:

    Hallo zusammen, interessanter Bericht. Kann man das beschriebene Buch käuflich erwerben? Danke und Grüße Bärbel Götz

    Antworten
    • Iris Sofie
      Iris Sofie sagte:

      Hallo Bärbel,
      es freut mich sehr, dass du meine ausführliche Buchvorstellung gelesen hast. Das autobiografische Buch meiner Cousine Silvia über ihre Leidenschaft fürs Bergsteigen gibt es allerdings nicht öffentlich zu kaufen. Lass uns persönlich in Kontakt kommen, damit du das Buch vielleicht trotzdem lesen kannst.
      Herzliche Grüße
      Iris Sofie

      Antworten
  2. Georg Honold
    Georg Honold sagte:

    Hi iris sowie, schöner Eintrag. Wo gibt es das Buch von Silvia zu kaufen? Sie war meine Kollegin für einige Jahre bei mmc. Ich bin immer noch sehr bestürzt über ihren Tod, wir hatten auch nach ihrem ausscheiden aus der Firma etwas Kontakt.

    Antworten
    • Iris Sofie
      Iris Sofie sagte:

      Ja, ein lebenshungriger Mensch so plötzlich aus dem Leben gerissen, das trifft tief. Melde mich nochmals per Mail wegen des Buches.
      Herzliche Grüße von Iris Sofie

      Antworten

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