Buchvorstellung – »Höre auf deinen Körper und vergiss dein Gewicht«
Die kanadische Bestsellerautorin Lise Bourbeau zählt zu den bedeutendsten spirituellen Lehrerinnen unserer Zeit. Sie gründete 1982 das heute größte Seminarzentrum Québecs Ecoute Ton Corps (Höre auf deinen Körper), das von Menschen aus der ganzen Welt besucht wird. Lise Bourbeau möchte zeigen, wie wir Grenzen, die das Leben zu setzen scheint, überschreiten können, um Lebensziele wie Glück, Frieden, Gelassenheit und Selbstverwirklichung zu erreichen.
Kurz gefasst, bei Lise Bourbeau geht es immer um Achtsamkeit, das wichtigste Werkzeug der Positiven Psychologie.
Die folgenden Streiflichter aus ihrem 224-seitigen Sachbuch Höre auf deinen Körper und vergiss dein Gewicht – Bauchgefühl statt Selbstkontrolle, Windpferd Verlag, Oberstdorf 2014, sollen eine Idee vom Inhalt des Buches vermitteln.
1 Warum so viel Kontrolle?
Gemäß Lise Bourbeau ist es unser Ego, dass uns nach seinen Anschauungen handeln und reagieren lässt, in der Gewissheit, es sei so besser für uns. Die jeweilige Kontrollart, auf die wir zurückgreifen, würde uns helfen, eine (oder mehrere) unserer Seelenwunden aus den ersten sieben Lebensjahren bewusst zu erkennen.
Die fünf wichtigsten Seelenwunden, die an der Schule Ecoute Ton Corps (Höre auf deinen Körper) gelehrt würden, seien:
ZURÜCKWEISUNG
VERLASSENWERDEN
DEMÜTIGUNG
VERTRAUENSBRUCH
UNGERECHTIGKEIT
Seelenwunden sind zwar ständig tief in unserem Inneren vorhanden, jedoch nicht immer aktiviert.
–> Beispiel einer Aktivierung: Du bist allein zu Hause und würdest am liebsten ein paar Stunden faulenzen, und plötzlich sagt eine kleine Stimme im Kopf, Faulenzen gehöre sich nicht. Diese Angst bzw. Überzeugung, als faul beurteilt zu werden, lebt seit der Kindheit in dir fort und beeinflusst dich, eher aktiv als faul zu sein. Das kann sogar so weit gehen, dass du noch als Erwachsener pflichtschuldig denkst: Wenn meine Eltern mich jetzt sähen, würden sie sich im Grab umdrehen.
2 Die Verbindung zwischen Kontrolle und Ernährung
Wunde der Ablehnung > Maske: Auf der Flucht sein > Nahrungsmittel, das am häufigsten zur Flucht benutzt wird: Zucker in all seinen Formen
Wunde des Verlassenswerdens > Maske: Abhängigsein > endlos essen und den Genuss verlängern, in dem Glauben, so die innere Leere zu füllen, die man spürt
Wunde der Demütigung > Maske: Unterwürfigsein > man fühlt sich meist von sehr gehaltvollen Lebensmitteln angezogen wie Butter, Sahne, fette Soßen etc. und isst übertrieben viel, weil es so gut schmeckt, und fühlt sich dann schuldig
Wunde des Vertrauensbruchs > Maske: Kontrollieren > man schlingt Riesenportionen in großer Geschwindigkeit hinunter, während man alle möglichen anderen Dinge tut, also das kontrolliert, was äußerlich vorgeht
Wunde der Ungerechtigkeit > Maske: Starrsein > nur wer an dieser Wunde leidet, schafft es, eine drakonische Diät einzuhalten, meist gibt der Starre knackiger Nahrung wie rohem, hartem Obst und Gemüse den Vorzug
3 Kennst du die Bedürfnisse deines Körpers?
Lise Bourbeau überraschte mich mit der Aussage, wir äßen nicht primär um des Geschmackvergnügens willen oder um unseren Hunger zu stillen. Warum dann, fragte ich mich? Hier die Hauptgründe:
- um unser physisches und psychisches Wachstum zu gewährleisten
- um den Körper instandzuhalten
- um die natürliche Abwehrkraft des Körpers zu bewahren
- um das Fortbestehen der Art zu gewährleisten
–> Dem eigenen Körper das zu geben, was er braucht, bedeutet, sich ein paar Sekunden, bevor man etwas trinkt oder isst, zu fragen, ob man wirklich hungrig ist oder nur das Verlangen hat, etwas zu essen.
–> Wenn man sich sicher ist, Hunger zu haben, seien folgende Fragen nützlich: Brauche ich etwas Heißes oder Kaltes? Hartes oder Weiches? Süßes oder Nichtsüßes?
–> Um den Moment besser zu erkennen, in dem man keinen Hunger mehr hat, kann man sich bereits ab der Hälfte der Mahlzeit fragen, ob man noch hungrig ist, und diese Frage wiederholen, bis die Antwort »nein« lautet.
4 Dich selbst anhand deiner Ernährung erkennen
Dieses Beispiel der Autorin fand ich außerordentlich hilfreich:
»Wenn du dich fragst, ob du hungrig bist, und es dann nicht weißt oder die Antwort auf sich warten lässt, dann ist dies ein recht offensichtliches Zeichen dafür, dass du keinen Hunger hast. Es ist, als fragtest du dich selbst: Will ich X heiraten? – und die Antwort ließe auf sich warten … Angesichts eines solchen Zögerns wäre es gewiss vorteilhaft für dich, dir über deine Gefühle klar zu werden und dich zu fragen, ob du wirklich bereit bist zu heiraten.«
Interessant war auch die Aufzählung der Hintergründe, die einen dazu bringen, zu essen, wie beispielsweise diverse Ängste, Gewohnheiten oder Gefühlszustände. Ernährungsverhalten kann durch unsere fünf Sinne beeinflusst werden, aber auch der Belohnung dienen. Letzteres bedeutet oft, dass man zu jenen Menschen gehört, die viel von sich fordern – häufig über die eigenen Grenzen hinaus, möglicherweise weil sie perfektionistisch veranlagt sind. Zwanghaftes Essen kann zudem ein Hinweis auf einen sehr großen Mangel an Selbstwertgefühl und Liebe zu sich selbst sein.
Um sich selbst besser kennenzulernen, empfiehlt Lise Bourbeau ein Ernährungsprotokoll anzulegen, das Verlag hier zum Download bereitstellt.
5 Ernährung und Gewicht
Es stimmt: Wenn wir nicht wir selbst oder nicht in der Gegenwart achtsam sind, dann hören wir nicht auf die Bedürfnisse unseres Körpers und neigen dazu, ihm Nahrung zu geben, die er nicht braucht und die er dann speichern muss.
Lise Bourbeau ist davon überzeugt, dass sich unser Körper sein natürliches Gewicht zurückholt, sobald er keine Angst mehr hat, in einen Hungerzustand versetzt zu werden. Unser Körper nimmt auf einer unbewussten Ebene unsere Absicht wahr. Er hört, alle unangenehmen Bezeichnungen, mit denen wir uns beim Betrachten unseres Körpers oder nach einer zu reichlichen Mahlzeit charakterisieren – Ich habe schon wieder zu viel gegessen, ich muss mich mehr beherrschen, besser kontrollieren, vernünftiger sein … – und deckt sich dann vorsichtshalber mit Vorräten ein.
6 Loslassen und Ernährung
Lise Bourbeau rät von Kontrolle jeglicher Art ab. Je mehr man loslasse, umso mehr ändere sich. Je mehr man kontrollieren wolle, umso weniger ändere sich nachhaltig. Sie plädiert dafür, dass wir lernen, uns selbst mehr Liebe entgegenzubringen und uns das Recht zuzugestehen, menschlich zu sein – mit all unseren Schwächen und Grenzen.
»Die Entscheidung, eine Diät zu machen, ist nicht natürlich, denn sie ist von einer Angst motiviert. Natürlich sein bedeutet, man selbst zu sein, sich von den Bedürfnissen seiner eigenen Natur leiten lassen; es bedeutet also, sich selbst zu lieben.«
7 Uns in dem, was wir gewählt haben, akzeptieren und lieben
Hierzu lautet der Schlüsselsatz des Buches: »Ich kann nicht dahin gelangen, das zu sein, was ich sein will, bevor ich nicht akzeptiert habe, das zu sein, was ich nicht sein will.«
Es sei immer unser Ego, das alles in seiner Macht Stehende tut, uns in der Vergangenheit zu halten, um seine Existenz zu rechtfertigen, und uns dazu treibe, zu futurisieren (in der Zukunft zu leben), um sein Überleben zu sichern – was für mich ganz nach dem eigenwilligen inneren Elefanten klingt. Aus diesem Grund wüssten wir sofort, wenn unser Ego uns lenke, nämlich dann, wenn wir nicht im gegenwärtigen Augenblick leben und infolgedessen nicht mehr auf unsere Bedürfnisse hören würden.
–> Mehr auf die Intelligenz unseres Körpers (Bauchgefühl) zu vertrauen, der genau weiß, was er in jedem Augenblick braucht.
Aus meiner Sicht ist das ganz schön schwer umzusetzen, wenn man die Signale seines Körpers jahrzehntelang ignoriert hat, um besser »funktionieren« bzw. »leisten« zu können, und er nun keine mehr sendet bzw. man selbst die Fähigkeit verloren hat, die Botschaften des Körpers zu verstehen. Es fühlt sich an, als ob man eine zerrüttete Beziehung wieder kitten möchte, weswegen ich auch noch ein anderes Buch von Lise Bourbeau gelesen habe: Höre auf deinen Körper, deinen besten Freund.
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