Buchvorstellung – »Der Staub der Elefanten«
Das Kinderbuch Der Staub der Elefanten, Karina Verlag, Wien 2020, (empfohlen ab 12 Jahren), wurde aus Sicht der Elefanten geschrieben und rückt ihre massive Bedrohung durch Elfenbeinwilderer in den Mittelpunkt. Die Lebensgeschichte des Elefantenjungen Ben umfasst 189 Seiten in großer Schrift. Es enthält zudem einige sehr schöne Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Elefanten, von denen die zwei schönsten auf dem Cover zu sehen sind. Für ihre bezaubernden Illustrationen wurde die Malerin und Autorin Karina Pfolz mehrfach mit dem Sparefroh-Preis Österreichs Best Illustrator ausgezeichnet.
Die Symbolfigur Sparefroh entstammt dem Deutschen Sparkassenverlag in Stuttgart, kam 1956 nach Österreich und wurde dort in den Folgejahren wesentlich populärer als in Deutschland. Die Sparefroh-Zeitung wurde vom österreichischen Unterrichtsministerium als offizielles Unterrichtsmittel anerkannt, war in den 1970ern die größte Jugendzeitschrift Österreichs, die allgemeinbildende Beiträge, Preisausschreiben und kleinen Geschichten mit erzieherischem Inhalt enthielt.
Auch die Elefantengeschichte von Ben dient der Wissensvermittlung über den Elefantenalltag, zu dem leider die seit Jahrhunderten praktizierte brutale Ausrottung der Elefanten aufgrund menschlicher Gier nach Elfenbein gehört. Es ist ein verzweifelter Wettlauf mit der Zeit um Leben und Tod, als Bens Elefantenfamilie vor Wilderern fliehen muss. Ben steht dabei als Symbol für unzählige kleine Elefanten, die deswegen als seelisch verletzte Waisenkinder aufwachsen müssen. Hubert Michelis erzählt aus der Perspektive der Elefanten, wobei ich die vermenschlichten Dialoge zwischen den Elefanten etwas gewöhnungsbedürftig fand. Der Beweggrund für diesen besonderen Blickwinkel ist jedoch sympathisch:
»Der Autor dieses Buchs hat diese Fabel für die Elefanten aufgeschrieben, denn die sanften Riesen können sich selbst nicht äußern. Möglichst viele Menschen sollen auf diese Weise vom Schicksal Bens und seiner Artgenossen erfahren – Kinder, Jugendliche und Erwachsene.« (S. 164)
Hubert Michelis, geboren 1958 in Düren/Rheinland, ist überzeugt: Nur wer versteht, kann etwas ändern auf dieser Welt. Nach seinem Studium der Philosophie und Theologie an der Bonner Universität wurde er zum Priester geweiht und ging als Missionar nach Indien, wo er mit Mutter Theresa zusammenarbeitete. Als er seine spätere Frau kennenlernte, entschied er sich für eine berufliche Neuorientierung, unter anderem als Restaurantleiter bei McDonald’s und Bankangestellter bei zwei asiatischen Geschäftsbanken in Frankfurt am Main, bis zu seiner jetzigen Tätigkeit als freier Schriftsteller und Landschaftsmaler.
Als dreifacher Familienvater kennt sich Hubert Michelis mit Familienalltag gut aus, was man seiner Elefantengeschichte anmerkt. Auch das Nachwort der Illustratorin Karina Pfolz zeugt von viel Mitgefühl gegenüber den Elefanten. Ihre eigene Begegnung mit Savannenelefanten schildert sie so:
»Weder meine Gefährten noch ich selbst haben Angst, dass die Elefanten uns etwas tun. Die Herde geht einfach vorbei und tut so, als wären wir überhaupt nicht da. Nur die letzte Elefantendame, die das Schlusslicht bildet, hebt ihren Rüssel hoch – wie zu einem Gruß.« (S. 166)
Dieser Anklang an Rüssel hoch! hat mir natürlich gut gefallen, jedoch zwei Punkte im Buch überhaupt nicht:
Zum einen die ungünstig gewählte Nebenfigur Sam, welcher den Elefanten auf dem Klavier vorspielt, da es »seiner Meinung nach keine bessere und wirksamere ›Medizin‹ als Musik« gibt. (S. 150) Offensichtlich eine Anspielung auf den Pianisten Paul Barton, der für ehemalige Arbeitselefanten spielt. In meinem Blogartikel Elefantöses – Wie musikalisch sind Elefanten? verweise ich auf den Elefantenschutzverein Future for Elephants, der das Märchen vom heilsamen Klavierspiel für verletzte Elefantenseelen entlarvt. Wer die Videos genau anschaut, stellt fest, dass es eine kommerzielle Masche ist.
Zum anderen eine Textpassage, der eine tiefergehende Recherche über Elefanten gutgetan hätte. Findest du den Fehler?
»Auch Berta [die Elefantenmutter von Ben] freute sich nach dem langen, heißen Tag über die kühlere Luft. Sie suchte emsig nach schmackhafter Nahrung, bis ihr durch den Kopf ging: Ben muss längst Kohldampf haben! Kaum dachte sie es, als sie spürte, wie ihr Sohn seinen Rücken gegen ihr rechtes Hinterbein drückte und sich an sie schmiegte. Ben hatte tatsächlich Hunger und Berta ließ ihn an ihr Gesäuge. Die Brust liegt bei den Elefanten zwischen den Hinterbeinen, deshalb stellte Berta sich etwas breitbeiniger hin, damit der Kleine leichter an die nahrhafte Milch herankam. Ben trank ziemlich lange, und als er endlich satt war, übermannte ihn die Müdigkeit.« (S. 41/42)
Aufmerksame Leser/innen haben natürlich längst gemerkt, was hier nicht stimmt. In meinem kleinen Elefantenbuch Der Elefant von A bis Z, in dem ich Schulkindern faszinierende Elefakten vermittle, steht die Antwort unter B wie Babys:
»Bis zu einem Alter von vier Jahren, bis Elefantenbabys gelernt haben, selbstständig Pflanzen zu fressen, trinken sie – wie alle Säugetierbabys – die Milch ihrer Mutter, etwa zehn Liter täglich. Dabei saugen sie die Muttermilch nicht mit dem Rüssel, sondern mit ihrem Maul. Die Zitzen der Mutterbrust sind bei Elefantenmüttern jedoch nicht zwischen den Hinterbeinen – wie bei der Kuh und den meisten anderen Säugetieren – sondern zwischen den Vorderbeinen. Auf dem Umschlagbild der Rückseite dieses Buches kannst du es sehen.«
Wie positive Rezensionen auf Amazon zeigen, hat die Elefantengeschichte Der Staub der Elefanten dennoch einigen Anklang gefunden. Es ist das grausame Schicksal der Spezies Elefant, das anrührt, auf das auch durch den jährlichen Weltelefantentag aufmerksam gemacht wird.
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