Fotoausflug – An der Reling (10) – Langwarder Groden

»Die beste Wärterin der Natur ist Ruhe.«
William Shakespeare

Aus Little Africa waren wir wegen der vielen Stechmücken geflüchtet. Doch auch das Watt ist kein Lebensraum für Sensibelchen. Mal Meer, mal Land, mal Sturmflut, mal Regendusche, mal Eispanzer, mal Sommerhitze – im Watt können nur wenige und gut spezialisierte Arten überleben, in einem Kubikmeter bis zu 2 Millionen Kleinlebewesen. Das stellt ein schier unerschöpfliches Nahrungsangebot dar, welche das Watt zur Kinderstube der Nordseefische und zum Rastplatz für zahllose Zugvögel werden lässt. Allein der hohe Salzgehalt der Nordsee stellt für viele Arten eine große Herausforderung dar.

So sind es auch die Watten in ihrer Weite und das großflächige Prielsystem, welche die Landschaft im Nationalpark Langwarder Groden prägen, der an der Nordspitze der Halbinsel Butjadingen, zwischen der Nordseebucht des Jadebusens im Westen und der Wesermündung im Osten liegt. Da der Zugang zur Nordseeküste an so vielen Stellen eingeschränkt ist – durch Häfen, durch gebührenpflichtige Strände, durch Naturschutzgebiete, die nicht betreten werden dürfen – freuten wir uns ganz besonders, dass dieser Nationalpark für Naturliebhaber geschaffen wurde, die gern hautnah mit ursprünglicher Natur in Berührung kommen wollen und Ruhe finden möchten.

Die Wasserflächen des Langwarder Groden sind ehemalige Bodenentnahmestellen, sogenannte Pütten, aus denen tonhaltiger Boden (Klei) für den Deichbau gewonnen wurde. Die Pütte wurde nach dem Abbau naturnah gestaltet und bietet heute mit ihren kleinen Inseln einen gut geschützten Brutplatz für viele verschiedene Vogelarten. Die Küken wechseln nach dem Schlüpfen von der Pütte über den Weg und die angrenzenden Wiesen hinaus zum reich gedeckten Tisch im Watt. Große Vögel wie Rohrweihe und Sumpfohreule nutzen den Langwarder Groden als Nistplatz, aber auch kleine Vögel wie Feldlerche und Wiesenpieper. Charakteristische Vögel der Salzwiesen sind auf jeden Fall der Rotschenkel, den wir an vielen Stellen zu sehen bekamen, und der Austernfischer, der wohl auffälligste und lauteste Brutvogel.

Nach einer sympathischen Begegnung und Unterhaltung mit zwei naturliebenden Frauen, schauten wir noch eine Weile den großen Containerschiffen am Horizont zu, die auf dem Weg nach Bremerhaven waren. Auf unserem Rückweg gab es noch eine kleine Attraktion. Ein Seehund hatte es sich mitten im Watt bequem gemacht. Im Gegensatz zu unseren Fährenfahrt nach Baltrum, wo wir an der Reling stehend wie in meinem neuen Roman RELING die Seehunde und Kegelrobben nur von Weitem sahen, konnten wir hier den Seehund in aller Ruhe von Nahem beobachten. Es machte uns Spaß, zuzusehen, wie er sich im Langwarder Groden in der Sonne aalte. Mit der für ihn wohl sehr entspannenden Bananenhaltung hielt er gleichzeitig Flossen und Kopf warm und trocken. Wir rätselten auf dem Rückweg, ob es wirklich ein Seehund oder vielleicht doch eher eine Kegelrobbe war. Später lernten wir einen Erkennungstrick: Die Nasenlöcher bilden beim Seehund ein V, während sie bei der Kegelrobbe eher parallel II stehen.

Wir kamen wieder an den Deichwiesen vorbei, wo Kühe und Schafe mit ihren Lämmern grasten. Die Schafe sind überall von Frühjahr bis Herbst auf den Nordseedeichen als natürliche Rasenmäher unterwegs und treten dabei mit ihren Hufen den Deichboden fest. Zwei davon schauten uns zum Abschied nach, als wir wehmütig daran dachten, dass der Langwarder Groden – ein herrliches Stück Natur – unser letzter Ausflug an der Nordseeküste war.

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