Buchvorstellung – »Schneewittchen-Party«

Cover fürs Buch »Schneewittchen-Party« Christie-Jubiläums-Edition

Ich habe wieder einmal just for fun (aus Spaß an der Freud) einen Krimi-Klassiker typisch englischer Manier von Agatha Christie gelesen. Die Umsetzung der Schneewittchen-Symbolik hat mich interessiert, weil ich mich in den letzten Monaten für mein eigenes Buch Schneewittchen gab es wirklich ausführlich mit Schneewittchen-Motiven wie Apfel oder Mord wegen Schönheit auseinandergesetzt habe.

Die 174-seitige Christie-Jubiläums-Edition Schneewittchen-Party, Fischer Scherz Verlag, Bern 1995, (Originaltitel Hallowe’en Party), ist der 60. der insgesamt 66 Kriminalromane von Agatha Christie. Er diente als Romanvorlage für Sir Kenneth Charles Branaghs neuesten Poirot-Film (Kinostart September 2023) mit dem Titel A Haunting in Venice (Ein Spuk in Venedig) – ein übernatürlicher Thriller, für den der Handlungsort nach Venedig verlagert wurde mit der Begründung, die mystische Stadt biete eine natürliche Grundlage für eine gruselige Atmosphäre.

Der in der deutschen Neuausgabe von 2018 verwendete Titel Die Halloween-Party hätte besser zum obigen Cover gepasst. Auch die giftgrünen Äpfel auf dem Cover – im Märchen Schneewittchen ist perfiderweise die rote Apfelhälfte giftig – sind nicht im klassischen Sinne symbolhaft, da es in diesem Krimi nicht um Giftmord, sondern Ertränkungsmord(e) geht. Auch ist das »Spiegelgucken« in diesem Krimi nur ein völlig nebensächliches Randmotiv.

»Die Kindergesellschaft bei den Drakes sollte am Abend sein. Ariadne Oliver begleitete ihre Freundin Judith Butler, bei der sie einige Tage zu Besuch war, um bei den Vorbereitungen zu helfen. Im Augenblick herrschte heilloses Durcheinander. Frauen liefen energisch hin und her, trugen Stühle, kleine Tische und Blumenvasen von einem Zimmer ins andere und verteilten große Mengen von Kürbissen über das ganze Haus. Es war der Tag vor Allerheiligen, der in England mit Maskeraden und lustigen Umzügen begangen wird, und die geladenen Gäste dieses Abends waren zwischen zehn und siebzehn Jahren alt.«

Als die 13-jährige Joyce Reynolds während der Vorbereitungen der Schneewittchen-Party erzählt, dass sie einen Mord gesehen und erst später begriffen hat, dass es sich tatsächlich um einen Mord handelte, glaubt ihr niemand, da sie in ihrem Dorf Woodleigh Common für ihre Lügengeschichten bekannt ist. Doch am Ende der Schneewittchen-Party ist Jocye Reynolds tot. Offensichtlich wurde sie in einem Metalleimer, in dem Apfelschnappen gespielt wurde, ertränkt.

Schon die Wahl des Dorfnamens fand ich interessant (wood für Wald und altenglisch leigh bzw. ley für Lichtung). Sogenannte Ley-Linien sind hypothetisch gebliebene Verbindungslinien zwischen Orten, die als magisch relevant empfunden werden. Dazu zählen beispielsweise Megalithen prähistorischer Kultstätten wie Stonehenge. Die magischen Ley- oder Kraftlinien treten bis zum Ende des Buches immer mehr hervor, während der merklich gealterte belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot – mit Unterstützung des pensionierten Superintendenten Spence und der ebenfalls in die Jahre gekommenen Krimiautorin Mrs Ariadne Oliver – trotz falscher Fährten der Aufklärung des Falls immer näher kommt.

»Er starrte. Starrte über die Mulde, die zu seinen Füßen lag, hinweg zu dem Pfad, der sie auf der andern Seite säumte. Starrte auf die Zweige eines bestimmten goldroten Strauchs, der etwas einrahmte, von dem Poirot einen Augenblick lang nicht genau wusste, ob es wirklich vorhanden oder nur eine Sinnestäuschung war, hervorgerufen durch das Spiel von Schatten, Sonne und Blättern. Was sehe ich da? dachte Poirot. Bin ich verzaubert? Möglich wär’s. Es geht etwas von diesem Park aus … etwas Magisches, Verzaubertes. Es ist wie die Szene in einem Theaterstück, hier sind die Nymphen, die Faune, hier ist klassische Schönheit, aber hier ist auch – Angst. Ja, dachte er, in diesem Garten ist die Angst.«

So plätschert der gemächliche Krimi alter Schule (1969 entstanden) weiter dahin, streift neben anderen Bezügen auf Christies Werke die »Elefanten« aus ihrem Krimi Elefanten vergessen nie, indem längst verschüttete Erinnerungen an die Oberfläche gebracht werden, bis die dunkle Vergangenheit der Dorfbewohner von Woodleigh Common, und damit das düstere Mordmotiv, vollständig enthüllt ist.

»Stattdessen gab es Miranda – am Leben und jung und schön. Er küsste Judith die Hand. ›Auf Wiedersehn, Madame, und grüßen Sie Ihre Tochter von mir.‹ Dann ging er zu Mrs Oliver. ›Gute Nacht, chère Madame. Lady Macbeth und Narziss. Es war außerordentlich interessant. Ich muss Ihnen dafür danken, dass Sie mich auf diesen Fall aufmerksam gemacht haben -‹«

Wenn euch der Beitrag gefallen hat, würden wir uns über einen Kommentar von euch sehr freuen. Ihr könnt euch gern zu unserem monatlichen Newsletter anmelden.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert