Buchvorstellung – »Sich vom Schmerz befreien«

Cover fürs Buch »Sich vom Schmerz befreien«

Wer Schmerzen hat, wünscht sich nichts mehr, als sie loszuwerden.
Doch das klappt erst dann, wenn wir den Körper nicht als zu reparierende Maschine betrachten, sondern Schmerzen als Spannungsgeschehen begreifen, welches verstanden werden und in Balance kommen will

So lautet der vielversprechende Klappentext des 206-seitigen Sachbuches Sich vom Schmerz befreien: Spannungen abbauen – Ins Gleichgewicht kommen – Beschwerdefrei leben, Kösel-Verlag, München 2010, geschrieben von Klaus Weitzer, geboren 1964, Diplom-Psychologe, Psychotherapeut und Gesundheitscoach mit eigenen Praxis in Bad Gögging (Bayern). Er hat viele Jahre im Reha-Bereich gearbeitet. Seine Erfahrungen mit chronischen Schmerzpatienten führten ihn zu einem erweiterten Schmerzverständnis und einer Schmerztherapie, die laut seiner Website »den Erkenntnissen der Hirnforschung zur Einheit von Körper und Psyche Rechnung trägt«.

Wir tragen die Fähigkeit zur Überwindung chronischer Schmerzen in uns.
Klaus Weitzers Ausführungen zum »Rätsel Schmerz«, das bis heute noch nicht vollständig gelöst ist, lassen sich nicht so mühelos lesen wie populärwissenschaftliche Sachbücher, die meist in gemeinverständlicher Form und lockerer Sprache aufgearbeitet wurden. Doch mir – momentan schmerzgeplagten – Glückstherapeutin hat es die Augen für eine neue Art des Schmerzverständnisses und eine effektivere Schmerzbehandlung geöffnet. Die einleitende Aufforderung des Autors:

»Begleiten Sie mich also auf diese Expedition in das Reich des Schmerzes. Mag sein, dass sich die Welt Ihres Schmerzes dadurch verändert und Sie sich besser darin zurechtfinden. […] Auf diese Weise können Sie erfahren, dass Sie die Fertigkeiten zur Überwindung Ihres Schmerzes in sich tragen. Therapie kann helfen, dass Sie diese Fähigkeiten, Ihre Selbstheilungskräfte, (wieder) aktivieren.«

Schmerzverständnis
Glaubst du, dass körperliche Schmerzen immer nur eine körperliche Ursache haben?
Glaubst du, das deine Schmerzen dauerhaft beseitigt sind, wenn dieser ursprüngliche Schmerzauslöser gefunden und abgestellt ist?
Glaubst du, dass Schmerz etwas ist, was dir passiert, du also ein Opfer deiner Schmerzen bist und nur Schmerzexperten dich davon befreien können?

Das neue Schmerzverständnis nach Klaus Weitzer sieht anders aus:
Im Schmerz sind immer körperliche und psychische Vorgänge so stark vereint, dass sie (auch bei ihrer Verarbeitung im Gehirn) nicht zu trennen sind.
Auch wenn alle körperlichen Schmerzursachen beseitigt sind, kann ein chronischer Schmerz fortbestehen, da der Körper die Schmerzreaktion so gut gelernt hat, dass zur Auslösung der Schmerzempfindung der eigentliche Schmerzauslöser irgendwann gar nicht mehr gebraucht wird.
Jeder Schmerz ist einzigartig, jedes Schmerzerleben völlig subjektiv, ganz individuell und es ist dein Organismus, also du selbst bzw. dein Gehirn als »Täter«, der (unbewusst) die Schmerzen aktiv selbst produziert. Das bedeutet, dass du zum »Experten« deiner eigenen Schmerzen werden musst, denn nur du selbst kannst damit aufhören, deine chronische Schmerzen zu erzeugen, indem du dein Gehirn schulst, günstigere Reaktionen auf stressbedingte Muskelspannungen zu wählen.

–> Denn ein ungünstiges Verhalten, das zur Regulation von Spannung gelernt wurde, kann auch wieder verlernt werden!

–> Für das neue Verständnis von Schmerz und Schmerztherapie ist bedeutsam, dass es sich bei Schmerz um Muskelaktivität handelt, woraus folgt, dass der unwillkürlich gesteuerte »Vorgang Schmerz« einer bewussten Beeinflussung zugänglich ist.

Es gibt natürlich »objektive« Schmerzen wie akute Verletzungen und Entzündungen. Das »subjektive« Schmerzerleben entsteht jedoch gleichzeitig im Gehirn und hängt von der Spannung in Muskulatur und Bindegewebe ab. Es ist dieses unbewusste Spannungsverhalten des Organismus, das er im Laufe des Lebens zur Stresskompensation erlernt hat, das bestimmt, wie und wo Schmerz bevorzugt erlebt wird.

Maschinenmedizin versus am Individuum orientierter verbaler und manueller Kommunikation
Unter Maschinenmedizin versteht der Autor eine Medizin, die den menschlichen Organismus wie eine hochkomplexe Maschine betrachtet, die man durch Operationen, Medikamente und »mechanische« Therapien reparieren bzw. instand halten kann. Dem hält der Autor, der bei seiner speziellen Schmerztherapie eine Kombination aus Körperarbeit, Psycho- und Physiotherapie anwendet, entgegen:

»In der Schmerztherapie geht es um Menschen, also muss der Mensch auch im Mittelpunkt stehen. Er ist keine Maschine, in der bestimmte Ursachen zu bestimmten Schmerzen führen und durch Reparatur beseitigt werden. Schmerz ist wie jede Krankheit auch ein aktives Verhalten, mit dem der Organismus etwas in Ordnung bringen möchte. Reparatur ist wichtig und ›rettet Leben‹, beseitigt aber nicht automatisch Schmerzen und kann sie – wie schon betont – sogar verschlimmern oder zu ihrem Auslöser werden. Ausgangspunkt muss deshalb der Mensch und sein Erleben sein. Dieses betrifft seine Muskelaktivität, die nach dem Spannungsmodell durch Schmerz harmonisiert werden soll. Bei einem Schmerzproblem ist die Muskelaktivität in eine ›Teufelsspirale‹ geraten und zu einem Spannungsproblem geworden, das augenblicklich nicht kontrollierbar ist. Schmerzbehandlung bedeutet, ein Gleichgewicht wiederherzustellen.«

Klaus Weitzer hat bei chronischen Patienten (und ich bei meinem Vater) erlebt, dass sich chronischer Schmerz nicht wegoperieren lässt, und dass Schmerzmittel – wenn sie überhaupt helfen – nur die Symptome betäuben, langfristig oft das Schmerzproblem nur noch verstärken. Darüber konnte ich mehr Wissen sammeln aus dem Buch Schmerz loswerden: Warum so viele Menschen unnötig leiden und was wirklich hilft.

In der naturwissenschaftlichen Schmerzmedizin und ihren »Reparaturversuchen« wird unter Ganzheitlichkeit oft nur ein Nebeneinander mehrere Behandlungen verstanden, oft genug ohne aufeinander Bezug zu nehmen. Der Masseure kümmern sich um »verhärtete Muskeln« oder »verklebtes Bindegewebe«, Krankengymnasten um »verkürzte Muskeln« oder »unbewegliche Gelenke«, Neurologen um einen erhöhten Muskeltonus aufgrund des übermäßig aktiven vegetativen Nervensystems und Psychologen um die damit verbundene Angst.

Die kommunikative Körpertherapie (KKT) von Klaus Weitzer
berücksichtigt, dass Emotionen wie Angst ebenfalls muskuläre Prozesse sind (die Angst sitzt einem beispielsweise im Nacken), die sich in myofaszialen Spannungen (myo für Muskel und faszial für Faszien/Bindegewebe) äußern können. Wie krank ein Mensch wird, hängt von seiner psycho-somatischen Spannung ab (soma für Körper), die sich als Folge früherer körperlicher und psychischer Belastung entwickelt hat und im Körpergedächtnis abgespeichert ist.

Wirklich ganzheitliche Bedeutung erhält eine Schmerzbehandlung, wenn sie dem Organismus dabei behilflich ist, das (unbewusste) Spannungsverhalten und die verschiedenen Bereiche des Nervensystems eigenständig zu harmonisieren, zu dem sich das Gehirn auf Grundlage bisheriger Erfahrungen entschlossen hat. Dabei ist wichtig, dass dem chronischen Schmerzpatienten bewusst wird, wie er myofasziale und damit auch emotionale Spannung wieder besser regulieren kann. Das konnte ich am eigenen Leib feststellen, als ich verstand und mich nun damit auseinandersetze, dass die Schmerzen meiner Plantarfasziitis unter anderem auch durch meine eigenen Zukunftsängste verursacht werden.

Es ist nicht einfach, genug inneren Abstand zum eigenen Schmerz zu gewinnen, um ihn als eigenes (unbewusstes) Verhalten zu sehen, das in eine Schmerzspirale geführt hat und nun wieder ins Gleichgewicht gebracht werden muss. Aber dies ist die Voraussetzung für eine weitgehend mit Schmerzfreiheit verbundene Gesundung. Neu gelernt habe ich, dass Schmerz eine muskuläre Schutzspannung ist:
»Wenn Spannung vom Organismus (unbewusst!) als Gefahr wahrgenommen wird, sorgt der Schmerz sozusagen für eine »Gegenspannung«, mit der die bedrohliche Muskelspannung kompensiert wird.«

Wir alle müssen daher unserer Gesundheit zuliebe lernen, die richtige Muskelspannung zum richtigen Zeitpunkt zu produzieren und wieder sein zu lassen.
Wir kommen also nicht darum herum, mindestens ein Entspannungsverfahren zur Körper- und Selbstwahrnehmung zu erlernen und zu praktizieren. Um aber auch die unbewussten Muskelaktivitäten hinter dem Schmerz wahrnehmen zu lernen, um sie verändern sowie willentlich so gestalten zu können, dass der Organismus ein Spannungsgleichgewicht herstellt und die Schmerzen wieder herunterreguliert, braucht man auf jeden Fall einen professionellen Therapeuten, der einem hilft, diese Zusammenhänge zu erkennen und eine innere Lösung zu finden. Kopf- oder Buchwissen reicht nicht aus, um aus dem chronischen Schmerz wieder herauszufinden. Der Schmerzpatient muss erleben, wie er durch Verhaltensänderung den Schmerz nach und nach überflüssig macht.

Es ist aber möglich. Deswegen erhält das Schlusswort eine Patientin, die eine solche Schmerztherapie in Klaus Weitzers Praxis gemacht hat:
»Das faszinierende Gefühl der Ganzwerdung zu spüren, erlebte ich als höchst befreiend aus der Hilflosigkeit. Meinen gesamten Körper wieder in Besitz nehmen zu können, war eine nie mehr zu hoffen gewagte Bereicherung, ja ein Geschenk, und ermöglichte mir damit, den Ausstieg aus dem Abstieg einer chronischen Schmerzpatientin mit all dem Leid und den Folgeerkrankungen, die mit einem solchen Schicksal gekoppelt sind. Dieser Weg und die Behandlung haben mich oft zu erlösenden Tränen gebracht. Ich war wieder in der Lage zu handeln. Nun kann ich mein Leben mit dem neuen Körperwissen über mich und meine Funktionen wieder voller Freude und mit neuer Kraft ausfüllen.«

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