Making-of »Schneewittchen gab es wirklich«
Märchen spiegeln nicht nur wider, was sich seit Urzeiten in der menschlichen Seele abspielt, oft sind sie Spiegel tatsächlicher Lebensgeschichten. Auch Schneewittchen, nicht nur Aschenputtel gab es wirklich.
Historisches Schneewittchen
Das Grimm’sche Märchen vom Schneewittchen könnte nach Ansicht der auf Märchen spezialisierten Germanistik-Professorin Claudia Schwabe und des nordhessischen Lokalhistorikers Eckhard Sander auf das Schicksal der Grafentochter Margaretha von Waldeck im 16. Jahrhundert zurückgehen. Wegen ihrer auffallenden Schönheit musste sie im Alter von 21 Jahren ihr Leben lassen. Die historische Parallele zu den sieben Zwergen zieht Sander zu Kindern, die aufgrund ihrer Arbeit im Bergwerk im Wachstum zurückblieben und vorzeitig vergreisten.
Märchenhaftes Schneewittchen
Doch nicht nur das historische Schneewittchen ist der Knüller, sondern auch die vielfältige Symbolik des märchenhaften Schneewittchens, möglicherweise der Grund dafür, dass diese Märchenfigur in Deutschland seit Jahren als beliebtestes Märchen auf Platz 1 steht – bei Erwachsenen.
Es hat mir viel Freude gemacht, nach den verborgenen Botschaften des Märchens Schneewittchen zu schürfen und sie für euch ans Tageslicht zu bringen:
Farbensymbolik (Weiß-Rot-Schwarz, Gold, …)
Zahlensymbolik (3, 7, 1000 …)
Natursymbolik (Wald, Tiere …)
Todessymbolik (Schnee, Todesschlaf …)
Schönheitssymbolik (Spiegel, Apfel …)
Nebenbei gibt es auch etwas über das Schneewittchen-Syndrom und den Schneewittchen-Effekt zu erfahren, und natürlich findet ihr in meinem Bildungsroman auch wieder einige Varianten wie beispielsweise das indische und das russische Schneewittchen, eine hessische Märchenversion mit Schneewittchens Hund sowie Mythen und Legenden mit Schneewittchen-Motiven.
Inneres Schneewittchen
Die Märchensymbolik Schneewittchens bringt tief in unserem Inneren etwas zum Klingen, da es sich um Urbilder der Seele handelt, die uns bewusstmachen, dass unser Leben ein Spiegelbild dessen ist, was in unserem Unbewussten liegt. Allein die Symbolkraft des Spiegels regt zur Selbstreflexion im Hinblick auf ein ganzheitliches Schönheitsbewusstsein an, bei dem es eben nicht nur um das äußere Erscheinungsbild, sondern auch um das geistige Format bzw. die persönliche Note eines Menschen geht, also den individuellen Wesenskern, der nicht »getötet« werden kann.
- Äußeres Erscheinungsbild
Wenn man beim Lesen mitbekommt, wie Schneewittchens Stiefmutter über all die narzisstischen Spiegelbefragungen, die Verfolgungsjagd zur Ausschaltung ihrer jungen Konkurrentin bis hin zum Tanz in den heißen Eisenpantoffeln nicht zur Ruhe kommt, kann man ins Grübeln kommen, warum man sich eigentlich vom Diktat der Schönheit über alle sieben Berge hetzen lässt:
Müssen Sechzigjährige – das darf doch nicht wahr sein, dass ich da jetzt auch schon dazugehöre oder vielmehr der wahre Grund, warum ich dieses Buch geschrieben habe – unbedingt so aussehen wie eine in der Blüte ihres Lebens stehende Dreißigjährige? Leben wir heute – in Zeiten von Social Media – mehr denn je im Banne des Spiegels? Löst das Verwelken unserer äußeren Hülle – welke Haut, Falten, Runzeln, graue Haare, nachlassende Spannkraft – eine innere Krise bei uns aus? Gibt es im Alter überhaupt noch Schönheit? Vielleicht eine andere? Ja, unser »inneres Schneewittchen«.
Weil Altwerden eine Grenzerfahrung ist, erfordert es Mut, zu akzeptieren, dass wir alle langsam, aber unaufhaltsam alt werden. Wir alle werden früher oder später die Grenze unseres Lebens überschreiten müssen. Vielleicht wird es Zeit, dass wir unsere Vergänglichkeit nicht mehr verleugnen bzw. mit äußeren Mitteln unsere diesbezüglichen Ängste zu übertünchen suchen, sondern uns auf den Weg der weisen alten Frau bzw. des weisen alten Mannes machen, um in Würde zu altern und nicht als nörgelnder, unzufriedener und nur alter Mensch zu enden.
- Geistige Schönheit
Es scheint zu stimmen, dass insbesondere Frauen spätestens ab etwa 60 Jahren aus dem krankhaft eitlen Jugend- und Schönheitswahn erwachen, der uns umgibt. Märchen wie Schneewittchen können uns in einer Identitätskrise erkennen helfen, dass Krisen in Wirklichkeit Lebensübergänge sind, die uns alle von der Geburt bis zum Tod begleiten. Wir sind immer irgendwie die Ruine von gestern und die Baustelle von morgen bzw. das Haus, das sich mitten im Umbau befindet, nie das fertige Haus.
Schneewittchens Erwachen aus dem vermeintlichen Todesschlaf will uns zeigen, dass es immer eine Chance für einen Neubeginn gibt. Der Übergang vom Schlaf ist einer vom unbewussten zum bewussten Seinszustand, glauben wir zumindest, unsere Schattenseiten – wie beispielsweise neidische, gehässige, narzisstische Persönlichkeitsanteile – verdrängen wir oft im Alltag. Doch auch, wenn in unserem Unterbewusstsein Gutes und Böses, Helles und Dunkles steckt, bedeutet das im Grunde nur, dass dort der Ursprung aller Möglichkeiten ist.
Es macht auf alle Fälle Sinn, den eigenen Lebensentwurf immer wieder einmal zu überprüfen und etwaige neue Lebensimpulse – auch ein Grund, warum dieses Buch entstanden ist – bewusst in diese erweitere Wahrnehmung aufzunehmen. Im Märchen Schneewittchen wird mit der dramatischen Ausgestaltung des Märchenmotivs der bösen Stiefmutter – übrigens eine Erfindung der Brüder Grimm – eindrucksvoll geschildert, was geschieht, wenn wir diese Seelenarbeit nicht leisten.
- Innere Schönheit
Ist euch eigentlich bewusst, dass die Suche nach Lebensglück das zentrale Thema der über 200 Grimm’schen Märchen ist? Ein Grund mehr für mich – als Glücksautorin – in die Welt der Märchen einzutauchen. Bei jedem meiner Rüssel-hoch-Bücher steht ein besonderer Glücksfaktor im Mittelpunkt. In diesem Buch konnte es nur der Glücksfaktor Schönheit bzw. der Sinn für das Schöne sein. Natürlich habe ich nicht versäumt, darin auf die fünf Glücksstärken hinzuweisen, die gemäß der Positiven Psychologie für unsere innere Schönheit sorgen und uns weit glücklicher machen als unsere Spiegelschönheit.
Ich wünsche dir, dass du im Zauberspiegel meines zum Weltglückstag erschienenen Buches Schneewittchen gab es wirklich dein eigenes verwunschenes Selbst entdeckst und es zu erlösen vermagst. Dies gilt insbesondere für Schneewittchen-Frauen, die wie Schneewittchen ganz dringend der Erneuerung ihres erstarrten, vom Tode bedrohten Lebens bedürfen.
Angesichts der Seelenstarre, von der viele Schneewittchen-Frauen ergriffen sind, liegt die Erlösung vor allem darin: Du darfst Ja zu dir und deinem Leben sagen. Dann wird auch deine Seele wieder aufblühen – wie eine rote Rose. Gewiss, das ist ein Akt des Mutes, doch damit beginnt die Ganzwerdung des Selbst, und das ist die zentrale Botschaft des faszinierend tiefgründigen Märchens Schneewittchen.
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