Fotoausflug – Kellerwald-Edersee: Auf den Spuren Schneewittchens und der sieben Zwerge

Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer war im 16. Jahrhundert die Schönste im ganzen Land?

Schneewittchenland – der heutige landschaftlich so reizvolle Naturpark Kellerwald-Edersee im Hessenländle – wurde einst von den Grafen von Waldeck-Wildungen regiert. Margaretha von Waldeck hieß die Grafentochter, die im 16. Jahrhundert in der ganzen Grafschaft und darüber hinaus für ihre außergewöhnliche Schönheit bekannt war.

Ich stand kurz vor der Veröffentlichung meines Schneewittchenbuches, in dem ich Margarethas zu Herzen gehende Lebensgeschichte schildere, als die folgende Mail bei mir eintraf:

»Hallo, Frau Iris Sofie Bayer, wo und zu welchem Preis kann man Ihr neues Buch Schneewittchen gab es wirklich erwerben? Glückauf! Eckhard Sander«

Ich traute meinen Augen kaum. Stellt euch das mal vor: DER renommierte Schneewittchenforscher Deutschlands, den ich mehrfach in meinem Buch zitiere, wollte tatsächlich als Erster mein Schneewittchenbuch lesen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie riesengroß meine Freude war:

»Hallo, lieber Herr Sander, über Ihr Interesse an meinem Buch freue ich mich ganz besonders. Gerne gebe ich Ihnen Bescheid, sobald es bestellbar ist. […] Wer weiß, vielleicht treffen wir uns ja auch einmal persönlich im Schneewittchendorf … Auch Ihnen ein herzliches Glückauf! Iris Sofie«

So kam ich mit dem europaweit bekannten nordhessischen Lokalhistoriker Eckhard Sander in Kontakt. Der sympathische Schneewittchenforscher befasst sich seit über 30 Jahren intensiv mit der historischen Geschichte aus dem 16. Jahrhundert, die hinter dem Grimm-Märchen Schneewittchen und die sieben Zwerge steckt.

Seine Einladung, ins Schneewittchendorf Bergfreiheit zu kommen und mit ihm eine Führung durch das dortige Bergwerk und das Schneewittchenhaus zu machen, habe ich begeistert angenommen. Wir reisten kurzentschlossen über die sieben Berge zu den sieben Zwergen ins Schneewittchendorf bzw. Bergmannsdorf Bergfreiheit.

Viele Anregungen zu meiner eigenen historischen Recherche habe ich aus Eckhard Sanders Buch Das Leben der Margaretha von Waldeck (im Schneewittchenhaus erhältlich) bekommen, in dem er den folgenden Fragen nachgeht:

Wie kamen die Brüder Grimm zum Märchenstoff über Schneewittchen und die sieben Zwerge?
Waren die sieben Zwerge in Wirklichkeit Kinder, die im Bergwerk in Bergfreiheit arbeiteten?
War die Grafentochter Margaretha von Waldeck das historische Vorbild für Schneewittchen?
Verbirgt sich hinter ihrer spannenden Lebensgeschichte ein politischer Mord in Brüssel?

Begebt euch mit uns auf die Spuren Schneewittchens und der sieben Zwerge im Nationalpark Kellerwald-Edersee …

Schloss Friedrichstein,
wo »Schneewittchen« geboren wurde

In diesem Schloss im Stadtteil Altwildungen von Bad Wildungen in Nordhessen wurde 1533 Margaretha von Waldeck als zweite Tochter und sechstes Kind des Grafen Philipp IV. von Waldeck-Wildungen und dessen erster Frau, Margarethe von Ostfriesland, geboren. Als gotische Burg erbaut, zu Margarethas Zeiten ein Renaissanceschloss und in späterer Zeit ein barockes Schloss, dient es heute als Museum (Militär- und Jagdabteilung der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel).

Wie mag sich die für ihre außergewöhnliche Schönheit bekannte Margaretha aus dem deutschen Hochadelsgeschlecht von Waldeck gefühlt haben, als sie 1551 nach einigen Jahren, die sie als Hofdame in Brüssel verbracht hatte, auf Urlaub nach Hause durfte, um ihren Vater zu besuchen?

Hier, auf Schloss Altenwildungen im Kellerwald, hatte sie ihre Kindheit verbracht. Von dem damaligen Renaissanceschloss ist allerdings nur der runde Turm, dessen Bau auf Margarethas Eltern zurückgeht, bis heute erhalten geblieben.

Von der Altane des Schlosses geht der Blick über den Stadtteil Altwildungen mit der Stadtkirche, die als Grablege diente, auch für Margarethas Mutter, die 1537 starb. Zwei Jahre später bekam die sechsjährige Margaretha eine strenge Stiefmutter. Im Jahr 1962 wurden die in der Stadtkirche aufgestellten Särge in die fürstlich-waldeckische Grabkapelle überführt.

Gemäß brandaktuellen Erkenntnissen wurde vermutlich auch die Gräfin Margaretha von Waldeck posthum aus Brüssel in die Stadtkirche überführt und bestattet. Einen Hinweis dazu fand Schneewittchenforscher Eckhard Sander bei Klettenberg, Waldeckischer Helden- und Regenten-Saal, 1738: »… Margaretham, Anastasiam et posthumam sepulta in Wildungen.«

Ebenfalls in der Stadtkirche von Altwildungen beigesetzt wurde Graf Günther von Waldeck, Sohn des Grafen Samuel von Waldeck, Margarethas älterem Bruder. Graf Günther von Waldeck ließ 1580 die Wasserkunst bauen, ein historisch-technisches Meisterwerk, welches Schloss und Städtchen Altwildungen mehrere Jahrhunderte lang mit Trinkwasser versorgte. Aus einer Quelle wurde das Wasser den Schlossberg hochgepumpt und von dort in einen Kump (historisches Wasserbecken) geleitet. Daran erinnert heute eine Steinmauer mit dem Wappen von Altwildungen.

Die drei Lilien stehen für die Reinheit Marias, die Schutzpatronin der Friesen. Margarethas Mutter stammte aus der Grafschaft Ostfriesland aus dem Hause Cirksena, dessen Stammwappen eine Harpyie und eine Lilie zeigte, welche obigem Bildnis ähnelt. Der untere Teil ist eindeutig der Waldecker Stern.

In meiner Phantasie schaut Margaretha von Waldeck nachdenklich auf den Südflügel von Schloss Friedrichstein. In der Realität ist es die Verzierung einer steinernen Barockvase. Das Böse, das die schöne Komtesse bedroht, ist nicht weit, nämlich auf der anderen Seite der steinernen Amphore.

Wer wurde damals oft sehr häßlich dargestellt, ähnlich einem Faun oder Satyr mit spitzen Ohren, oft auch mit Hörnern, Bockfüßen und Schweif, genauso wie sich viele den Teufel vorstellten?

Es könnte der uralte Hirtengott Pan sein, der als Waldgeist in Erscheinung trat. Von ihm ging die Sage, dass er in der größten Mittagsstille durch einen lauten Schrei auf einmal ganze Herden zu plötzlicher und anscheinend sinnloser Massenflucht aufjagen könne, weswegen wir bis heute von panischem Schrecken sprechen.

Schneewittchen im finsteren Kellerwald
Urwaldsteig – Mühlecke-Route

Schneewittchen rannte in panischer Angst auf ihrer Flucht vor der bösen Stiefmutter durch den Kellerwald, der früher zur Waldecker Grafschaft gehörte. Ich stellte mir vor, wie gespenstisch und voller Waldgeister der Wald mit seinen urwüchsigen Bäumen auf das kleine Mädchen gewirkt haben muss …

Huch, ich glaube, da hat ein Waldgeist vom Kellerwald sein Teleskop-Auge ausgefahren. Ob Schneewittchen es ins Zwergenhaus schafft? – Aber klar doch, der Waldgeist hat ein Herz und zeigt ihr den Weg …

Bei den sieben Zwergen im Bergwerk
im Schneewittchendorf Bergfreiheit

Graf Samuel von Waldeck, der Bruder des historischen »Schneeewittchens«, nahm schon zu Lebzeiten seiner Schwester Margaretha den Bergbau An der Hohen und Kleinen Leuchte bei der späteren Siedlung Bergfreiheit auf, in dem nachweislich auch Kinder beschäftigt wurden, die mit ihren bergmännischen Zipfelmützen wie Zwerge aussahen.

1561 erließ er ein Edikt über die Bergfreiheiten im Tal der Urff, wo seit fast zehn Jahren Kupfererz abgebaut wurde. Das Recht der Berg(bau)freiheit umfasste Schank- und Zollfreiheit, Jagd- und Holzrecht sowie Befreiung von Militär- und Frondiensten. In der Nähe von Waldeck eröffnete Graf Samuel von Waldeck weitere Kupfer-, Erz- und Goldgruben.

Die Geschichte von Schloss Waldeck
und den Ederzwergen

»Wichtelkönig Eck und sein Volk der Wichtelmänner, die auch Hollen genannt werden, zeigen sich den Menschen nur sehr selten. Durch ihre Nebelkappen können sie sich gut tarnen, ja sogar unsichtbar machen. Zum Zeichen der Königswürde trägt der oberste der Ederzwerge einen goldenen Hammer aus Edergold. Er haust mit seinem Zwergenvolk tief innen im steilen, bewaldeten Felsen am Nordufer des Edersees, auf dem weithin sichtbar das prächtige Schloss Waldeck thront.

Beim Heimgang eines Waldecker Grafen schlägt der Wichtelkönig Eck mit seinem funkelnden Hammer aus Edergold dreimal auf den Felsen. Dann wird es lebendig im Dunkel der Nacht. An allen Hügeln und Hängen der Eder blitzen zahllose Lichter auf wie Glühwürmchen, die im Funkenflug durch die Sommernächte schwärmen und schwirren. Es sind die Leuchten der Hollen, die von allen Seiten auf Schloss Waldeck zueilen, um ebenfalls das Totenamt zu halten, wenn die Heilige Messe für den Verstorbenen gehalten wird. Weithin erhellt dann der Schein ihrer Lichtchen das dunkle Edertal.

Die Gedächtnisfeier zu Ehren des Entschlafenen beginnt – eine wundersame Stunde, in der es wie leises Wellenrauschen aus dem Tal heraufklingt. Lange, lange spricht der Eck zur lauschenden Schar. Wenn er am Ende ist, schwören die Wichtelzwerge ihrem neuen Herrn von Waldeck den Treueeid: ›Sei stets in edlem Streben den hohen Ahnen gleich, so wird, o Herr, dein Leben an Glück und Liebe reich.‹ Und wieder klingt dann Ecks funkelnder Goldhammer dreimal auf den Felsen nieder. Die Lichtchen der Hollen huschen auseinander und suchen eilig wieder in den Bergestiefen ihre Wohnungen auf, ein unzähliges Gewimmel.«

»Warum tun sie das?«

»Nun, [so erzählt die Amme in meinem Schneewittchenbuch den Grafenkindern], einst wollte ein Graf eurer Ahnen eine Burg am Wald-Eck bauen. Deswegen erschien eines Nachts der Wichtelkönig persönlich beim Grafen und sprach: ›Herr Graf, Ihr seid in mein Reich gekommen und wollt hier eine Burg bauen. In diesem Ederfelsen habe ich schon sehr lange Zeit meinen Herrschaftssitz. Wenn wir beide mit unserer Gefolgschaft hier gemeinsam in Frieden leben wollen, so kann dies nur geschehen, wenn wir uns gegenseitig einen Treueeid schwören und einen Vertrag schließen, der uns zu friedlichem Zusammenleben und gegenseitiger Achtung verpflichtet.‹

Der Graf versprach dem Herrscher der Ederzwerge, die Bergestiefen unter seiner Burg für alle Zeiten zu einem sicheren Besitz, zu einer ungestörten Heimstatt, wo die Hollen unter Schutz und Obhut der Grafenburg in Frieden hausen sollten, solange es ihnen beliebte. Im Gegenzug gelobte der Zwergenherrscher beim Bau zu helfen und die Burg Waldeck fortan zu beschützen.«

Das Dorf Bringhausen – heute als Wüstung Altbringhausen bekannt – musste für die Edertalsperre aufgegeben werden. Seine Bewohner errichteten ein neues Dorf an einem Hang über dem Edersee. Dort hatten wir für ein paar Tage eine gemütliche, top eingerichtete Ferienwohnung »Am-Edersee« bezogen.

Die tiefschwarze Gefiederfarbe der männlichen Amsel wird mit spiritueller Tiefe in Verbindung gebracht, mit der Fähigkeit, in die Dunkelheit einzutauchen und daraus gestärkt und erneuert hervorzugehen. Die Amsel erinnert uns daran, dass auch in schwersten Zeiten die Möglichkeit einer spirituellen Wiedergeburt besteht – das eigentliche tief spirituelle Thema des Märchens Schneewittchen: die Reise zur Ganzwerdung des Selbst.

Die Liebesinsel besteht aus einem kleinen und einem großen Eiland. Sie ragt bei Vollstau des Edersees als einziges stetiges Inselchen aus dem Wasser des Stausees empor. Auf ihr befinden sich Reste der Burg Bring. Um die verbliebenen Mauerreste ranken sich Sagen über Ritter und Wichtelwesen, die das Gold der Eder bewacht haben sollen.

Und damit sind wir wieder zurück bei Schneewittchen und den sieben Zwergen. Während das Märchen-Schneewittchen die Vergiftung überlebte und glücklich wurde, ging die Lebensgeschichte des historischen Schneewittchens alias Margaretha von Waldeck-Wildungen ganz anders aus. Wegen ihrer auffallenden Schönheit hat sie im Alter von 21 Jahren am Brüsseler Hof ihr Leben lassen müssen.

Daran wurden wir erinnert, als wir im Herzen des Kellerwaldes dieses Bild sahen – also für uns sah es so aus, als läge da langgestreckt ein lebloser Körper mitten im saftigen Grün …

Mit seinen vielen alten Buchen im Alter zwischen 200 und 300 Jahren auf 3,4 Hektar Fläche zählt der Hutewald Halloh zu den bedeutendsten Hutewaldbeständen Hessens und ist seit 1985 unter Naturdenkmalschutz gestellt. Früher wurden Tiere zur Bucheckern- oder Eichelmast in die Hutewälder getrieben. Durch das Abfressen junger Triebe und das Ernten von Laub als Stallfutter entstand auch dieser Buchenwald aus urigen, bemoosten Bäumen, zwischen denen sich immer wieder grüne Wiesen finden.

Wer noch weiter auf den Spuren des historischen Schneewittchens wandeln möchte, dem empfehle ich, mein Buch zu lesen. Schneewittchenforscher Eckhard Sander schrieb mir, nachdem er es gelesen hatte:

»Nun habe ich Dein neues und sehr schönes Buch Schneewittchen gab es wirklich mit großem Interesse gelesen. Ich bin begeistert, welche exakten Recherchen Du dabei betrieben hast. Wie lange hast Du an dem Text gearbeitet? Schon die Aufarbeitung der Märchenfassungen vor Schneewittchen hat mich begeistert.

Beim Lesen zum Leben der schönen Gräfin aus Waldeck wurde ich von Seite zu Seite nachdenklicher und demütiger, was in dem Text doch an historischen Wahrheiten zum Ausdruck kommt, bzw. von Dir hervorgehoben wird.

Meine große Anerkennung für diese komplexe Leistung, auch in der Hoffnung, dass Dein Buch viele Leser findet. Vor allem aber, dass jede Zeile mit Achtung gelesen wird. Herzlichen Glückwunsch!«

Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass ich diese anerkennenden Worte meiner schriftstellerischen Arbeit wie einen Ritterschlag empfunden habe. Es hat mich glücklich gemacht. Und wisst ihr was? Schön zu sein macht nicht automatisch glücklich, aber glücklich zu sein – das macht immer schön, denn es lässt einen Menschen von innen heraus strahlen!

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