Elefantöses – Jumbo, ein weltberühmter Elefant

Statue of Jumbo in St. Thomas, Ontario
Statue von Jumbo in St. Thomas, Ontario, Kanada | © balcer via Wikimedia Commons

Jumbo ist ein Elefant,
ist im Urwald wohlbekannt.

Alle Tiere fürchten ihn,
denn er ist ein Ungetüm.

Nur die kleine Mücke lacht,
wenn er seine Zicken macht,
laufen selbst die Affen weg.
Mücke bleibt auf ihrem Fleck.

Und sie tanzt nach Art der Mücken
quietschvergnügt auf seinem Rücken,
ohne je von ihm zu gleiten,
lernt sie reiten.

Und so trabt der Elefant
stampfend durch das Urwaldland,
alles nimmt vor ihm Reißaus,
Mücke macht sich nichts daraus.
(altes Kinderlied, Verfasser unbekannt)

Bis heute steht Jumbo für einen Elefanten an sich. Noch dazu ist die Bezeichnung Jumbo weltweit ein Synonym für außergewöhnliche Größe geworden. Ein Beispiel ist das weltgrößte Passagierflugzeug Boeing 747, das den Beinamen Jumbojet erhielt. Wie kam es dazu?

Jumbo ist der Name für einen afrikanischen Elefantenbullen mit dem Beinamen König der Elefanten, der im 19. Jahrhundert insgesamt von geschätzt 20 Millionen Menschen als Weltberühmtheit bestaunt wurde. Sein Name Jumbo ist ein Mix aus dem Swahili-Wort jumbe für Häuptling und dem Wortklang der üblichen afrikanischen Begrüßung jambo (hallo).

Jumbo wurde auch die Vorlage für den Elefanten Jumbo junior in einem Zeichentrickfilm von Walt Disney. Wegen seiner großen Ohren wird er von anderen Zirkuselefanten verspottet und Dumbo (Dummkopf) genannt, bis der kleine Elefant feststellt, dass er damit wunderbar fliegen kann und zum Star der Manege wird.

Wie wurde Dumbos historisches Vorbild Jumbo zum amerikanischen Superstar,
obwohl er kein einziges Zirkuskunststück vorführen konnte?

1861 Vom Urwald in den Pariser Zoo
Zur Blütezeit der Wandermenagerien in Europa tötet Taher Sheriff im ostafrikanischen Abessinien eine Elefantenmutter und nimmt ihr etwa ein Jahr altes Elefantenbaby gefangen.

Von einem der größten damaligen Tierhändler in dieser Region, Lorenzo Casanova, wird das traumatisierte Tier durch Vermittlung des bayerischen Tiersammlers Johann Schmidt nach Paris an die Ménagerie du Jardin des Plantes verkauft. Dieser zoologische Garten entwickelt sich nach Auflösung der Versailler Menagerie (1794), in der auch der Elefant des Sonnenkönigs sein Dasein gefristet hatte, zur umfangreichsten Haltung exotischer Tiere in Europa.

26. Juni 1865 – Zoo London
Nur wenige Jahre später wird der Jungelefant an den Londoner Zoo gegen ein Nashorn ausgetauscht und erhält von Anoshan Anathajeyasri, dem Leiter der Zoological Society of London, den Namen Jumbo.

Matthew Scott, sein Londoner Wärter, schreibt in seiner Autobiografie, dass er Jumbo zum ersten Mal traf, als er aus dem Pariser Zoo verlegt werden sollte, wo er den jungen Elefanten kränklich und dem Tod nahe vorfand. Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass die traumatischen Erfahrungen seiner Gefangennahme und seine Gefangenschaft eine PTBS verursacht hatten (Posttraumatische Belastungsstörung, eine verzögerte seelische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis). Scott pflegt ihn und zwischen den beiden entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. Das Wohlergehen Jumbos liegt Scott so am Herzen, dass er den Zoodirektor sogar überzeugt, dem Elefantenbullen zur Gesellschaft die Elefantendame Alice an die Seite zu geben.

Mit der Zeit wird Jumbo immer aggressiver und beginnt, in nächtlichen Wutanfällen seinen Stall zu demolieren und bricht dabei beide Stoßzähne ab. Erst eine im Rahmen einer Doku durchgeführten forensischen Untersuchung in der Neuzeit (siehe weiter unten) wird zeigen, dass Jumbo nicht unter der Musth, sondern unter unerträglichen Zahnschmerzen litt. Die nicht artgerechte, zu weiche Nahrung im Zoo (hauptsächlich Gras, Heu, Hafer) und seine Vorliebe für Süßigkeiten, die ihm von Besuchern zugesteckt werden, führt dazu, dass sich seine Backenzähne völlig unnatürlich entwickeln. Da ein natürlicher Abrieb fehlt, der den ältesten Zahnstummel jeweils ausfallen lässt und Platz für neue Zähne schafft, kommt es zu einem immer belastenderen Engstand bzw. zu einer Verformung der Backenzähne.

In den nächsten 16 Jahren wächst Jumbo zu einem überdurchschnittlich großen Elefanten heran, der zum Lieblingstier vieler Briten wird. Es wird geschätzt, dass er während seines Londoner Aufenthalts über eine Million Kinder auf seinem Rücken reiten ließ, darunter zahlreiche Sprösslinge europäischer Adelshäuser. Auch Königin Victorias Kinder, Winston Churchill und Theodore Roosevelt sollen auf Jumbo geritten sein.

Der Zoodirektor Abraham Bartlett, der befürchtet, dass Jumbo bei einem seiner Ausraster eines Tages vielleicht Besucher verletzen könnte, zögert nicht, den Elefanten zu verkaufen, als Jumbo das Interesse des amerikanischen Zirkusdirektors Phineas Taylor Barnum weckt, der die damals enorme Summe von 10.000 US-Dollar für den Elefanten bietet, mit dem er die größte Show der Welt aufziehen will. Barnum plant, den Amerikanern Jumbo als den größten Elefanten der Welt zu präsentieren.

27. Februar 1882 – Verkauf nach Amerika
Doch die britische Nation ist entrüstet, dass Jumbo, der Liebling der Nation, nach Amerika verschifft werden soll.

Scott berichtet in seinem Buch von einer Spendenaktion von Jumbo-Fans, die versuchen, ihn anstelle von Barnum zu kaufen. Tausende Schulkinder drücken ihre große Liebe zu Jumbo aus, als sie an Königin Victoria schreiben und sie darum bitten, ihn nicht nach Amerika gehen zu lassen. Einige bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens reichen sogar Klage ein, um den Verkauf zu blockieren, doch der Handel wird für rechtmäßig befunden. Es spielt Barnum in die Karten, dass der Elefant schon im Vorfeld so viel Publicity erzeugt.

9. April 1882 – Ankunft in New York
Als Jumbo auf der Assyrian Monarch in New York ankommt, ist er bereits ein Superstar.

Er wird mit einer Blaskapelle abgeholt und eine Zirkusparade geleitet ihn den Broadway hinauf zum Madison Square Garden, in den Millionen Amerikaner strömen, um den berühmten Elefanten mit eigenen Augen zu sehen. Barnum verdient in weniger als drei Wochen das Geld zurück, das er für den Kauf und die Verschiffung von Jumbo ausgegeben hat.

Er geht mit Jumbo als Star des Barnum & Bailey Circus auf Tournee durch Nordamerika. Jumbo tritt zusammen mit einem Zwergelefanten namens Tom Thumb auf und reist in einem eigens konstruierten Palastwagen. Barnum wirbt mit reißerischen Plakaten, auf denen der Publikumsmagnet Jumbo erst vier, dann sechs und plötzlich acht Meter hoch ist. Nun wird sein Name in den Köpfen der Menschen ein Synonym für alles, was riesig, übergroß bzw. kolossal ist.

Das Bestaunen und Reiten des Riesentieres lässt sich Barnum gut bezahlen. Da die Wandermenagerie durch die USA und Kanada etwa neun Millionen Menschen anlockt, hat Jumbo bereits drei Jahre später seinem neuen Besitzer eine halbe Million Dollar eingebracht.

Dass die Gesundheit des Elefanten unter so viel Stress enorm leidet, sodass er sichtlich auszehrt, stört Barnum nicht. Wärter Scott gibt Jumbo täglich Alkohol, um ihn zu beruhigen. Angeblich trinkt Jumbo täglich einen Eimer Bier; wenn er krank ist, zusätzlich noch eine Gallone Whisky.

15. September 1885 – Rangierbahnhof von St. Thomas, Ontario, Kanada
Eines Abends warten Jumbo und Tom nach einer Show in St. Thomas darauf, in einen Waggon verladen zu werden. Plötzlich rast ein Güterzug auf sie zu. Jumbo wird von der Lokomotive erfasst, die mit zwei weiteren Waggons entgleist. Der Lokomotivführer und Jumbo kommen dabei ums Leben.

Ein tragischer Unfall? Oder ein von Zirkusdirektor Barnum inszenierter dramatischer Abgang eines kranken Elefanten? Es wird viel darüber spekuliert, wer die Schuld an Jumbos Tod trägt.

Allerlei Geschichten ranken sich um die Umstände seines traurigen Endes. Barnum erzählt der Presse, Jumbo habe sein Leben geopfert, um den kleineren Elefanten Tom zu retten, der auf die Gleise gelaufen war. Der Stationsvorsteher in St. Thomas gibt an, er sei von Jumbo so fasziniert gewesen, dass er vergessen habe, die Weiche umzustellen. Die Presse berichtet, ein Bretterzaun habe Jumbo ein Ausweichen unmöglich gemacht; durch die frontale Kollision wäre ihm ein Stosszahnstumpen ins Hirn getrieben worden, sodass er auf der Stelle tot gewesen sei.

Erst über ein Jahrhundert später wird im Rahmen einer Doku über Jumbo (siehe ganz unten) aufgeklärt, wie es tatsächlich gewesen sein muss. Auf seiner Reise zum Elgin County Museum in St. Thomas entdeckt David Suzuki ein Foto von Jumbo, das direkt nach seinem Tod aufgenommen wurde. Es zeigt eine Reihe von Schürfwunden an Jumbos hinterer Flanke, was bedeutet, dass er von hinten angefahren wurde; wahrscheinlich hatte er versucht, vor der Lokomotive zu flüchten. Obwohl er bei dem Unfall keine Knochen gebrochen hat, muss er massive innere Verletzungen davongetragen haben, die ihn innerhalb kurzer Zeit innerlich verbluten ließen.

Doch Jumbo muss nicht allein sterben. Der schwerverletzte Elefant stirbt mit einem letzten Seufzer, nachdem er mit seinem Rüssel noch einmal seinen langjährigen Wärter und Freund Scott umarmt hat.

Jumbos Nachleben
Jumbos Herz verkaufte Barnum an die Cornell University. In Jumbos Magen fanden sich ein Hut voll englischer Pennys, Gold- und Silbermünzen, Steine, ein Schlüsselbund, Bleiplomben von Eisenbahnwaggons, Schmuckstücke aus Metall und Glas, Schrauben, Nieten, Drahtstücke und sogar eine Polizeipfeife. Jumbos Skelett verschenkte Barnum an das American Museum of Natural History in New York.

Die Elefantenhaut jedoch ließ er präparieren – sie wurde größer ausgedehnt, als Jumbo tatsächlich gewesen war, und ausgestopft – um Jumbo weiterhin präsentieren zu können. Barnum kaufte zudem über seinen Londoner Agenten die Elefantenkuh Alice und ließ sie in seiner Wandershow zusammen mit dem ausgestopften Jumbo als »trauernde Witwe« posieren.

1889 – Tufts Barnum Hall
Dem Tufts College in Medford, Massachusetts, stiftete Barnum das Barnum Museum of Natural History, in dem Jumbo ab 1889 dauerhaft aufgestellt blieb und zum Maskottchen der Studenten wurde. Es sollte Glück bringen, wenn man vor einer Prüfung oder einem Sportereignis eine Münze in ein Nasenloch des erhobenen Rüssels warf oder an seinem Schwanz zog.

14. April 1975 – Tufts Barnum Hall
Ein Großbrand brach aus, in dem Jumbos ausgestopfte Haut vollständig verbrannte.

Ein mit Jumbos Asche gefülltes Erdnussbutterglas, das bis heute als Glücksbringer für die Sportmannschaften von Tufts dient, wird im Büro des jeweiligen Sportdirektors aufbewahrt, während sein vom Feuer verschonter Schwanz, der 1942 im Zuge einer Reparatur entfernt und separat aufgehoben worden war, heute in den Beständen der Tufts Digital Collections and Archives verblieben ist.

15. September 1985 – Der hundertste Todestag Jumbos
Eine lebensgroße Statue wurde zum Gedenken Jumbos in der Talbot Street in St. Thomas (Ontario, Kanada) errichtet.

Die Nachbildung zeigt Jumbo mit Stoßzähnen, die er sich schon in seiner Londoner Zeit selbst abgebrochen hatte, viel größer, als er tatsächlich war, und mit fünf Zehen an jedem Fuß. (Afrikanische Savannenelefanten haben an den Vorderfüßen vier und an den Hinterfüßen drei Zehen.) Trotz dieser Abweichungen ist die Elefantenstatue eine beliebte Touristenattraktion. Das hoch aufragende Elefantendenkmal vermittelt einen Eindruck davon, wie sich das Publikum damals gefühlt haben muss, als es den »größten Elefanten der Welt« in natura sah.

10. Dezember 2017 – Auf BBC one läuft der Dokumentarfilm Jumbo, the life of an elephant superstar
Erstmalig gewährte das Amerikanische Museum für Naturgeschichte in New York City einem internationalen Expertenteam sowie dem Naturforscher Sir David Attenborough und dem Wissenschaftler Dr. David Suzuki besonderen Zugang zu Jumbos Skelett.

Modernste DNA-, Isotopen- und forensische Analysen haben erst jetzt Tatsachen zu seiner Größe, seinem Gesundheitszustand und den Umständen seines Todes geliefert:

  • Der preisgekrönte Dokumentarfilm offenbart eine Schulterhöhe von fast dreieinhalb Metern (20 Prozent mehr als die durchschnittliche Höhe eines Elefanten seines Alters) und ein Gewicht von knapp sieben Tonnen bei Jumbos Tod. Er befand sich noch immer im Wachstum und hätte höchstwahrscheinlich noch eine Höhe von vier Metern erreicht.
  • Seine Backenzähne waren völlig deformiert und müssen ihm unerträgliche Schmerzen bereitet haben.
  • Sonst konnte keine besondere Erkrankung wie beispielsweise Tuberkulose festgestellt werden. Jumbos Gesundheit litt wegen der unnatürlichen und stressigen Lebensweise, die ihm aufgezwungen wurde; vor allem seine Dauerschmerzen haben ihn ausgezehrt. Der permanente Stress – die vielen Stunden, die er bewegungslos angekettet stehen musste, überhaupt das er auf harten Böden gehalten wurde, die vielen Reisen und Auftritte sowie die vielen Ausritte, bei denen er meist gleich ein Dutzend Kinder auf einmal zu tragen hatte – ließen ihn früher altern.
  • Es wurden überwucherte Sehnenansätze festgestellt, die auf eine langjährige Überlastung bei der Arbeit hindeuten. Sein Knochenzustand entsprach nicht dem eines 24-jährigen Elefanten, sondern dem eines 60-jährigen, der mit Sicherheit neben ständigen Zahnschmerzen auch quälende Knieprobleme hatte.

Immer mehr Zirkusfamilien verzichten auf Elefanten in der Manege, denn das aufgeklärte Publikum weiß, dass die absolut nicht elefantengerechten »Kunststücke« – wie zwei- oder einarmige Handstände sowie das auf den Hinterbeinen stehen (Männchen machen) – nur mit viel Einsatz des schmerzhaften Elefantenhakens beigebracht werden können.

Ebenfalls positiv ist, dass auch immer mehr Zoos ihre Elefantenhaltung umgestalten, um Zooelefanten ein artgerechteres Leben zu ermöglichen.

Jumbo indessen wird wohl weiterhin in kollektiver Erinnerung bleiben.

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