Buchvorstellung – »Ein Elefant für Inspector Chopra«
Einen Tag vor seiner Pensionierung macht Inspector Chopra eine überraschende Erbschaft. Sein Onkel hinterlässt ihm einen jungen Elefanten namens Ganesha mit den Worten: »Dies ist kein gewöhnlicher Elefant.«
Eigentlich hat sich Chopra nach dreißig Jahren Polizeiarbeit in Mumbai (dem früheren Bombay an der indischen Westküste) auf den wohlverdienten Ruhestand gefreut und verspürt wenig Lust, sich um ein so großes Tier zu kümmern.
Zu diesem Zeitpunkt weiß er noch nicht, dass sein letzter Arbeitstag eine weitere, völlig unerwartete Überraschung bereithält – ein tödlicher Unfall entpuppt sich als Mordfall, der letzte seiner langen und glanzvollen Karriere. Ashwin Chopra beschließt, dass der Ruhestand noch etwas warten kann:
»Wie bekommt dir der Ruhestand?«
»Nicht gut«, erwiderte Chopra. »Ashok, ich brauche deine Hilfe.«
Ashok betrachtete ihn mit amüsiertem Lächeln. »Das sagst du mit einer Inbrunst, als würde die Last der ganzen Welt auf deinen Schultern ruhen. Bitte korrigiere mich, falls ich mich irre, aber ist der Ruhestand nicht die Zeit, in der man sich entspannt und es anderen überlässt, sich mit den Problemen herumzuschlagen?«
»Es gibt Probleme, mit denen ein Mann sich persönlich auseinandersetzen muss.«
Ashok schüttelte den Kopf und lachte in sich hinein. »Ashwin, wie er leibt und lebt. Was liegt dir denn so schwer im Magen, alter Freund?«
Chopra ermittelt privat weiter. Starken Beistand erhält er dabei von seinem neuen tierischer Begleiter. Mehr wird hier nicht verraten. Mir gefiel der leichte, unterhaltsame Elefantenkrimi mit Bollywood-Touch, beispielsweise bei dem finalen Showdown mit seinem Gegenspieler, einem berüchtigten Gangsterboss von Mumbai. Ich fand es interessant, auf der Spurensuche mit den Augen des Autors in das alltägliche Leben der indischen Metropole – eine der größten Städte der Erde – einzutauchen, in das bunte, geschäftige Treiben und Denken der Menschen, ohne dass dabei die großen Probleme der Stadt wie Armut, Schmutz, Überschwemmungen, Kriminalität und Korruption ausgelassen wurden.
Doch wie kam der Autor, Vaseem Khan, geboren 1973 in London, auf die Idee einen Elefanten an die Seite von Inspector Chopra zu stellen? Als er 1997 nach Indien kam, um dort als Unternehmensberater zu arbeiten, sah er zum ersten Mal einen Elefanten auf offener Straße, was ihm damals höchst seltsam erschien und ihn zu seinem ersten Kriminalroman »Ein Elefant für Inspector Chopra«, Ullstein Verlag, Berlin 2017, inspirierte. 2006 kehrte Vaseem Khan nach England zurück, um am University College London für die Abteilung Sicherheits- und Kriminalwissenschaften zu arbeiten.
Eine weitere Inspirationsquelle scheint für Vaseem Khan das Buch »Ganesha: Zehn Jahre mit einem indischen Elefanten« von Harriet Fortinbrass gewesen zu sein, einer Britin, die in den 1920er Jahren als junges Mädchen zusammen mit ihrem Vater Lord Hubert Fortinbrass, einem begeisterten Jäger, nach Indien gekommen war. Harriet war entsetzt gewesen, als ihr Vater eine Elefantenkuh abschoss, die ihr neugeborenes Kalb beschützen wollte, und bestand darauf, es mit in ihr palastartiges Haus in Faizabad zu nehmen.
In ihrem Buch beschreibt sie, was für ein erstaunliches Band sich zwischen ihr und ihrem Schützling entwickelte:
»Man spricht immer von der Majestät des Elefanten, seiner Größe und Stärke, aber was ich sehe, wenn ich Ganesha in die Augen blicke, ist eine Seele. Eine Wärme und Intelligenz, die von überwältigender Menschlichkeit ist. Es heißt, dass Elefanten wie der Mensch ein Bewusstsein für das eigene Ich haben. Sie begreifen, dass sie existieren, dass sie Individuen sind. Man kann einem Elefanten beibringen, sich selbst im Spiegel zu erkennen, genau wie einem menschlichen Kind. Und wie ein Menschenkind vertraut mir Ganesha bedingungslos. Man darf das Vertrauen eines Elefanten nie enttäuschen, denn hat man es einmal verloren, dann ist es für immer. Sie vergessen niemals.«
Solche Zitate waren für mich als Elefantenliebhaberin immer wieder kleine Highlights, während die Ermittlungen ihren Verlauf nahmen. Harriet schrieb:
»Der Inder ist überzeugt, dass Elefanten mystische Kräfte und ein angeborenes Mitgefühl für die Leiden der Menschheit besitzen. Sie sind unsere Freunde. Sie wachen über uns.«
Diese bewegende Erfahrung darf auch Inspector Chopra machen:
»Er spürte eine warme Berührung an der Wange und wandte sich um. Ganesha schnaubte und liebkoste sein Gesicht mit dem Rüssel, als wollte er sich vergewissern, dass Chopra noch in einem Stück war.«
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