Fotoausflug – Narzissbrunnen von Schloss Cecilienhof

Während wir fotografisch gemeinsam durch den Potsdamer Neuen Garten bis zum Narzissbrunnen schlendern, entfalte ich parallel dazu die Sage von Narcissus und Echo. Es ist eine der 250 Einzelsagen aus den Metamorphosen (Verse 339 – 510) des römischen Dichters Ovid, die er um das Jahr 1 n. Chr. bis 8 n. Chr. verfasste:

Es geschah im alten Griechenland. Eine anmutige weibliche Naturgottheit bekam ein Kind und nannte es Nárkissos (lat. Narcissus, dt. Narziss). Nach seiner Geburt fragte diese Nymphe einen Propheten, ob ihrem Sohn ein langes Leben beschieden sei. Der Prophet antwortete: »Ja, doch nur, wenn er sich nicht selbst erkennt.« Seine rätselhafte Antwort machte der Mutter Angst und so behütete sie von diesem Moment an ihr Kind, indem sie es nicht mehr aus den Augen ließ. Sie las Narziss jeden Wunsch von den Augen ab und verwöhnte ihn nach Strich und Faden.

Die Bergnymphe Echo stand indessen im Dienste von Zeus und Hera, dem höchsten Götterpaar Griechenlands. Wann immer Zeus sich mit anderen Frauen vergnügen wollte, gab er Echo einen Wink und diese erzählte dann Hera lange Geschichten, sodass Zeus dem wachsamen Auge seiner Gemahlin entwischen konnte. Als Hera dahinterkam, bestrafte sie Echo mit der Unfähigkeit, etwas Eigenes sagen zu können. Für alle Ewigkeit sollte Echo nur immer die gleichen Worte wiederholen können, die sie gerade gehört hatte. Beschämt floh sie zum Berg Helikon.

Narziss war zu einem wunderschönen jungen Mann herangewachsen und da er sehr verwöhnt worden war, war er unglaublich eingebildet und eitel. Unzählige Verehrerinnen und Verehrer lagen ihm zu Füßen, doch niemand war gut genug für ihn. Er ließ alle eiskalt abblitzen. Schließlich rief einer der Zurückgewiesenen aus, die Götter mögen dafür sorgen, dass der auf seine Schönheit so stolze Narziss das gleiche Leid verspüre wie alle, die er verschmäht habe, das Leid der unerwiderten Liebe.

Die Bitte wurde erhört von Nemesis (griech. für Glücksverteilerin, die gibt, was zusteht), die Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit, dargestellt mit einer Waage und einem Apfelzweig in der linken Hand. Als Narziss eines Tages in den Wäldern des Berges Helikon jagte, folgte sie ihm, bis er an einer stillen Quelle vorüberkam. Hier ließ sie ihn einen quälenden Durst verspüren. Als er niederkniete, um zu trinken, erblickte er in dem klaren Wasser sein Spiegelbild, in das er sich leidenschaftlich verliebte. Narziss begriff nicht, dass die Quelle sein eigenes Bild widerspiegelte, sondern glaubte, er habe endlich einen Mann gefunden, der seiner Liebe wert sei. Wenn er sich hinabbeugte, schien dieser ihm willig entgegenzukommen, doch sobald er das zauberhafte Antlitz küssen wollte, löste es sich auf, und er musste warten, bis der Geliebte im ruhigen Wasser wieder erschien.

Auch Echo war Narziss bei seinem Spaziergang durch den Wald gefolgt. Sie hatte sich sofort unsterblich in ihn verliebt, doch versteckte sich schüchtern im Gebüsch. Als Narziss seinem Spiegelbild leidenschaftliche Worte der Liebe zuflüsterte, sie aber niemanden sah, meinte sie, er hätte sie entdeckt und begann, ihm zu antworten. Anfangs amüsierte es Narziss, seine Koseworte von einer anderen Stimme wiederholt zu hören, doch als sie sich ihm schließlich zeigte, ließ er sie links liegen und gab sich wieder ganz der sehnsüchtigen Betrachtung des Spiegelbildes hin. Echo war zutiefst gekränkt und zog sich in eine Höhle zurück, die sie nie mehr verließ. Ihre unerfüllte Liebe zu Narziss ließ sie mit gebrochenem Herzen dahinsiechen. Langsam verhungerte sie, bis nichts mehr von ihr übrig war, als ihre Stimme, die bis heute in Schluchten und Bergen als Echo erklingt.

Auch Narziss verzehrte sich nach Erwiderung einer Liebe, die er nicht bekommen konnte. Er verbrachte Tag und Nacht am Rande der Quelle und schaute verliebt in sein Spiegelbild. Der wunderschöne Jüngling, den er im Wasser vor sich sah, war so nah und doch so unerreichbar. Auf einmal kam die Selbsterkenntnis: Iste ego sum. Dieser da bin ich. Darüber bekümmert aß er nichts mehr. Er legte sich neben der Quelle nieder, krank vor unerfüllter Liebe.

Die Göttin Nemesis hatte schließlich Mitleid mit ihm und verwandelte ihn in eine Blume, in der Mitte gelb, mit weißen Blütenblättern. Diese Narzisse blühte jeden Frühling als eine der ersten Blumen und ließ ihren Kopf nach unten hängen, als ob sie sich ihrem Spiegelbild im Wasser zuneigte. So erfüllte sich die Weissagung, dass Narziss nur dann alt werden würde, wenn er sich selbst nicht erkenne. Si se non noverit. Die Narzisse galt fortan als eine der Persephone, der Göttin der Unterwelt, geweihte Blume.

Der in die Steinkugel geritzte Sowjetstern erinnert daran, dass auf Schloss Cecilienhof Geschichte geschrieben wurde. Hier trafen sich vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 die Siegermächte USA (Harry Truman), Großbritannien (Winston Churchill) und Sowjetunion (Josef Stalin) zur Potsdamer Konferenz, um nach dem Untergang Nazideutschlands über die Nachkriegsordnung in Europa zu beraten.

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