Fotoausflug – Blautopf in Blaubeuren

Die Historie von der schönen Lau nach Eduard Mörike in der Fassung von 1878 beginnt folgendermaßen:

»Der Blautopf ist der große runde Kessel eines wundersamen Quells bei einer jähen Felsenwand gleich hinter dem Kloster. Gen Morgen sendet er ein Flüßchen aus, die Blau, welche der Donau zufällt. Dieser Teich ist einwärts wie ein tiefer Trichter, sein Wasser ist von Farbe ganz blau, sehr herrlich, mit Worten nicht wohl zu beschreiben; wenn man es aber schöpft, sieht es ganz hell in dem Gefäß.«

Allerlei Sagen ranken sich um die Blautopfquelle am Fuße der Schwäbischen Alb, die vor allem aus Kalkstein besteht. Einst glaubte man, dass die besonders intensive Blaufärbung daher rühre, das täglich ein Fass voll Tinte hineingeschüttet würde. Wissenschaftlich wird heutzutage der Blauton durch den physikalischen Effekt der Lichtstreuung an den vielen im Wasser enthaltenen Kalkpartikeln in Nanogröße erklärt. Es ist diese geringe Größe der Kalkpartikel, die dazu führt, dass gerade blaues Licht bevorzugt gestreut und auf diese Weise das großartige blaue Leuchten erzeugt wird.

Die tiefblaue Quelle erscheint unergründlich tief. Einst glaubte man sogar, der Blautopf sei von bodenloser Unendlichkeit. Doch wie tief ist der Blautopf wirklich?
Der trichterförmige Quelltopf ist 20,6 m tief. Die Quelle weist eine mittlere Schüttung von 2.270 l/s (min. 250 l/s, max. 32.670 l/s) auf und hat ein rund 160 Quadratkilometer großes Einzugsgebiet auf der Blaubeurer Alb.

Je nach Sonneneinstrahlung bzw. Wetterlage schimmert der Blautopf mehr oder weniger blau.

Die frühere Schleifmühle wurde 1804 zu einer Hammerschmiede erweitert und bis 1889 in ihrer ursprünglichen Art betrieben.

Die ideale Lage am Blautopf mit seinem beständigen Wasserfluss bedeutete eine unerschöpfliche Energiequelle, die mittels Wasserrad in die Schmiede geleitet wurde, um zwei Schmiedehämmer, eine Schleifmaschine und den Blasebalg für die Esse zu betreiben.

Der Blautopf am Fuße der Schwäbischen Alb in Blaubeuren ist die zweitgrößte Karstquelle Deutschlands. Auf seinem Grund befindet sich ein nur 1,4 m breiter Gang, über den man zu einem riesigen Karsthöhlensystem gelangt – zu einer unterirdischen Welt wie im Märchen.

Der Taucher Jochen Hasenmeyer berichtete 2012 in einem Interview mit Kristin Raabe im Deutschlandfunk über die erste gefundene Halle, den sogenannten Mörikedom (25 m breit, 30 m hoch, 125 m lang) des unterirdischen Labyrinths der damals noch weitgehend unerforschten Blautopf-Unterwasserhöhle, deren Gesamtlänge etwa 16,8 Kilometer beträgt:

»Diesen Dom habe ich dann nach Eduard Mörike genannt, dem großen schwäbischen Dichter. Und der hat nämlich damals schon geschrieben, dass tief unter dem Blautopf, erstens eine Nixe wohnt und dass die tief im Berg ihren Palast hätte. Da hatte ich den Palast entdeckt, Tropfsteinkaskaden kamen von oben herunter. Die Tropfsteine zogen sich rauf bis auf 30 Meter Höhe. Ein Riesenraum, ein Riesenhöhlensee.«

Eduard Mörike (1804-1875) fabulierte in seinem Werk Das Stuttgarter Hutzelmännlein, das zu einem der wenigen Kunstmärchen des literarischen Biedermeier zählt, von einer Wassernixe, Tochter einer Menschenfrau und eines Wasserfürsten, die von ihrem Gemahl, einem alten Donaunix am Schwarzen Meer in den Blautopf verbannt wurde, »darum, daß sie nur todte Kinder hatte. Das aber kam, weil sie stets traurig war, ohn‘ einige besondere Ursach«. Die Wassernixe namens Lau zeigte die für die Romantik zeittypische Melancholie und wurde erst erlöst, als sie durch die in Blaubeuren lebenden Menschen wieder das Lachen lernte.

Der schwäbische Dichter verband den Namen der Wassernixe erklärend mit dem Element des Wassers, der Farbe Blau und dem geographischen Raum, in dem die Historie von der schönen Lau angesiedelt ist:
»Lau, von La, Wasser, welches in lo, lau, b’lau überging, daher nach Schmid der Name des Flüßchens Blau (und Blautopf) abzuleiten wäre.«

Ein erster Blick auf den sagenumwobenen Blautopf zeigte kein Blau, sondern herbstgoldene Lichtspiegelungen, die mich faszinierten und an das Reich der schönen Wassernixe denken ließen, die auf dem Grund des Blautopfs in ihrem geheimnisvollen Palast mit vielen Gängen, Gemächern und Sälen wundervolle Geheimnisse und Schätze gehütet haben soll.

»Zu unterst auf dem Grund saß ehmals eine Wasserfrau mit langen fließenden Haaren. Ihr Leib war allenthalben wie eines schönen, natürlichen Weibs, dieß Eine ausgenommen, daß sie zwischen den Fingern und Zehen eine Schwimmhaut hatte, blühweiß und zärter als ein Blatt vom Mohn. Im Städtlein ist noch heutzutag ein alter Bau, vormals ein Frauenkloster, hernach zu einer großen Wirthschaft eingerichtet, und hieß darum der Nonnenhof. Dort hing vor sechzig Jahren noch ein Bildniß von dem Wasserweib, trotz Rauch und Alter noch wohl kenntlich in den Farben. Da hatte sie die Hände kreuzweis auf die Brust gelegt, ihr Angesicht sah weißlich, das Haupthaar schwarz, die Augen aber, welche sehr groß waren, blau. Beim Volk hieß sie die arge Lau im Topf, auch wohl die schöne Lau.«

»Gegen die Menschen erzeigte sie sich bald böse, bald gut. Zu Zeiten, wenn sie im Unmuth den Gumpen übergehen ließ, kam Stadt und Kloster in Gefahr, dann brachten ihr die Bürger in einem feierlichen Aufzug oft Geschenke, sie zu begütigen, als: Gold- und Silbergeschirr, Becher, Schalen, kleine Messer und andre Dinge; dawider zwar, als einen heidnischen Gebrauch und Götzendienst, die Mönche redlich eiferten, bis derselbe auch endlich ganz abgestellt worden. So feind darum die Wasserfrau dem Kloster war, geschah es doch nicht selten, wenn Pater Emeran die Orgel drüben schlug und kein Mensch in der Nähe war, daß sie am lichten Tag mit halbem Leib herauf kam und zuhorchte; dabei trug sie zuweilen einen Kranz von breiten Blättern auf dem Kopf und auch dergleichen um den Hals.«

»Ein frecher Hirtenjung belauschte sie einmal in dem Gebüsch und rief: Hei, Laubfrosch! git’s guat Wetter? Geschwinder als ein Blitz und giftiger als eine Otter fuhr sie heraus, ergriff den Knaben beim Schopf und riß ihn mit hinunter in eine ihrer nassen Kammern, wo sie den ohnmächtig gewordenen jämmerlich verschmachten und verfaulen lassen wollte. Bald aber kam er wieder zu sich, fand eine Thür und kam, über Stufen und Gänge, durch viele Gemächer in einen schönen Saal. Hier war es lieblich, glusam mitten im Winter. In einer Ecke brannte, indem die Lau und ihre Dienerschaft schon schlief, auf einem hohen Leuchter mit goldenen Vogelfüßen als Nachtlicht eine Ampel. Es stand viel köstlicher Hausrath herum an den Wänden, und diese waren sammt dem Estrich, ganz mit Teppichen staffirt, Bildweberei in allen Farben.«

»Der Knabe hurtig nahm das Licht herunter von dem Stock, sah sich in Eile um, was er noch sonst erwischen möchte, und griff aus einem Schrank etwas heraus, das stak in einem Beutel und war mächtig schwer, deßwegen er vermeinte, es sei Gold; lief dann und kam vor ein erzenes Pförtlein, das mochte in der Dicke gut zwo Fäuste sein, schob die Riegel zurück und stieg eine steinerne Treppe hinauf in unterschiedlichen Absätzen, bald links, bald wieder rechts, gewiß vierhundert Stufen, bis sie zuletzt ausgingen und er auf ungeräumte Klüfte stieß; da mußte er das Licht dahinten lassen und kletterte so mit Gefahr seines Lebens noch eine Stunde lang im Finstern hin und her, dann aber brachte er den Kopf auf einmal aus der Erde.«

»Es war tief Nacht, und dicker Wald um ihn. Als er nach vielem Irregehen endlich mit der ersten Morgenhelle auf gänge Pfade kam und von dem Felsen aus das Städtlein unten erblickte, verlangte ihn am Tag zu sehen, was in dem Beutel wäre; da war es weiter nichts als ein Stück Blei, ein schwerer Kegel, spannenlang, mit einem Oehr an seinem obern Ende, weiß vor Alter. Im Zorn warf er den Plunder weg, in’s Thal hinab, und sagte nachher weiter Niemand von dem Raub, weil er sich dessen schämte. Doch kam von ihm die erste Kunde von der Wohnung der Wasserfrau unter die Leute.«

Dieses Klötzle Blei, das immer wieder in Mörikes Märchen auftaucht, weil es gemäß dem Auftrag des Stuttgarter Hutzelmännleins an den rechtmäßigen Besitzer, den Grafen Eberhard von Württemberg, zurückgegeben werden soll, ist heutzutage der Name für einen Felsklotz, der im Landschaftsschutzgebiet Blaubeurens mit nahezu senkrechter Wand rund 40 Meter emporragt.

In Mörikes Märchen gelangt das Klötzle Blei, das unsichtbar machen kann, nach Umwegen in die Hände eines Dieners, der den Aberglauben des Volkes anzweifelt, dass der Blautopf keinen Grund noch Boden habe. Er benutzt es, um die Tiefe des Blautopfs zu vermessen, hat damit jedoch keinen Erfolg. Dass das Bleilot im Besitz der schönen Lau war, die im Blautopf wohnt, und ihre Zofe es abschneidet, als sie es unter Wasser zu Gesicht bekommt, ist ihm nicht bekannt. Auf diese Szene bezieht sich der schwäbische Zungenbrecher, der neben anderen Begebenheiten in der fröhlichen, einfachen Gesellschaft der Blaubeurer Bauernleute die schöne Lau zum Lachen bringt:

»s’leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeur.
glei bei Blaubeur leit a Klötzle Blei.«

In diesem Augenblick erscheint ihr Ehegemahl, der alter Donaunix, um zu sehen, ob seine Frau von ihrer Traurigkeit geheilt und bereit ist, ein gesundes Kind von ihm zu empfangen. Da fällt die schöne Lau vor Schreck in Ohnmacht, welche ihr ein letztes, unbewusstes und vollends erlösendes Lachen schenkt, wie damals in ihrem Traum von der Liebesbegegnung zwischen Abt und Wirtin Betha, mit der sie Freundschaft geschlossen hat. Mörike beschreibt die schwäbische Wirtin als frohes Biederweib, christlich, leutselig, gütig und mütterlich. Sie hat der nun durch Freude verschönten Lau, die sich selbst zuvor als Aschengruttel (Aschenbrödel) bezeichnet hatte, zum Heil des ehelichen, häuslichen Glücks verholfen.

Um die Mönche davon abzuhalten, die städtischen Badehäuser zu besuchen, ließ Abt Gregorius um 1510 ein klostereigenes Badhaus bauen. Gebadet wurde in großen Bottichen im fensterlosen Erdgeschoß. Interessanterweise erzählt Eduard Mörike von einem Traum der schönen Lau, bei dem der Abt des Klosters sein Käppchen in den See zur Lau wirft:

»Ihr däuchte da, es war die Stunde nach Mittag, wo in der heißen Jahreszeit die Leute auf der Wiese sind und mähen, die Mönche aber sich in ihren kühlen Zellen eine Ruhe machen, daher es noch einmal so still im ganzen Kloster und rings um seine Mauern war. Es stund jedoch nicht lange an, so kam der Abt herausspaziert und sah, ob nicht etwa die Wirthin in ihrem Garten sei. Dieselbe aber saß als eine dicke Wasserfrau mit langen Haaren in dem Topf, allwo der Abt sie bald entdeckte, sie begrüßte und ihr einen Kuß gab, so mächtig, daß es vom Klosterthürmlein widerschallte, und schallte es der Thurm an’s Refectorium, das sagt’ es der Kirche und die sagt’s dem Pferdstall und der sagt’s dem Fischhaus und das sagt’s dem Waschhaus und im Waschhaus da riefen’s die Zuber und Kübel sich zu. Der Abt erschrak bei solchem Lärm; ihm war, wie er sich nach der Wirthin bückte, sein Käpplein in den Blautopf gefallen, sie gab es ihm geschwind, und er watschelte hurtig davon. Da aber kam aus dem Kloster heraus unser Herrgott, zu sehn was es gebe. Er hatte einen langen weißen Bart und einen rothen Rock. Und frug den Abt, der ihm just in die Hände lief: Herr Abt, wie ward Euer Käpplein so naß? Und er antwortete:
Es ist mir ein Wildschwein am Wald verkommen,
Vor dem hab’ ich Reißaus genommen;
Ich rannte sehr und schwitzet’ baß,
Davon ward wohl mein Käpplein so naß.
Da hob unser Herrgott, unwirs ob der Lüge, seinen Finger auf, winkt’ ihm und ging voran, dem Kloster zu. Der Abt sah hehlings noch einmal nach der Frau Wirthin um, und diese rief: ach liebe Zeit, ach liebe Zeit, jetzt kommt der gut alt Herr in die Prison! Dieß war der schönen Lau ihr Traum.«

Das Türmle wurde in späterer Zeit zum Bleichtürmle, da es zur Überwachung der angrenzenden Bleichwiese diente, wo frisch gebleichte Tücher zum Trocknen ausgelegt wurden. Heute ist der Fachwerkturm das Clubheim des Blaubeurer Motorradclubs MC Blaurädle. Weitere schöne alte Fachwerkgebäude sind in Blaubeurens mittelalterlicher Altstadt zu sehen.

1447 gelangte die Stadt Blaubeuren durch Kauf an die Herzöge von Württemberg. Diese verliehen ihr 1471 ein Stadtwappen mit dem Blaumännle als Wappenfigur, einem blau gekleideten Bauern auf goldenem Grund mit grünem Kranz im Haar und Hirschstangen in den Händen. Auf der anderen Seite ist das goldene Wappensymbol des württembergischen Herzogs mit den drei schwarzen Hirschstangen übereinander zu sehen.

Auch ein Kuss kann Glückseligkeit bedeuten. Wir waren nach unserem Rundgang in der Altstadt Blaubeurens noch gespannt darauf, wie wohl die Felsformation »Küssende Sau« aussehen würde, zu der ein steiler Waldweg kurz nach Ortsausgang führt.

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2 Kommentare
  1. Margarete Engster
    Margarete Engster sagte:

    Wunderschöne Aufnahmen vom Blautopf und Blaubeuren. Bei der „schönen Lau“ schlägt mein Herz schneller. Ist doch der Künstler, Fritz von Graevenitz ein Sohn der Stadt, in der ich wohne.
    Die Beschreibungen enthalten enormes Wissen. Auch ich habe noch was gelernt (»Lau, von La, Wasser, welches in lo, lau, b’lau überging, daher nach Schmid der Name des Flüßchens Blau (und Blautopf) abzuleiten wäre.«.) Danke!

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    • Iris Sofie
      Iris Sofie sagte:

      Lieben Dank. Auch mein Herz schlug höher bei dem herbstlichen Farbenrausch am Blautopf und den geheimnisvollen Legenden, die sich darum ranken – und die schöne Lau hat Fritz von Graevenitz ebenso anmutig gestaltet wie seine Gazelle zu Ehren des Afrikaforschers Johannes Rebmann.
      Herzliche Grüße von Iris Sofie

      Antworten

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