Buchvorstellung – »Warum ich fühle, was du fühlst«

Cover fürs Buch »Warum ich fühle, was du fühlst«

Nach »Das Gedächtnis des Körpers: Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern« veröffentlichte der Neurobiologe und Psychotherapeut Prof. Dr. med. Joachim Bauer das 192-seitige Fachbuch »Warum ich fühle, was du fühlst: Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone«, Heyne Verlag, München 2006. Die in den frühen 1990ern entdeckten Spiegelneurone sind der Grund, warum wir ein Lächeln erwidern, warum Gähnen ansteckend ist oder warum wir die Tränen nicht unterdrücken können, wenn wir einen melancholischen Film sehen.

Doch was sind Spiegelneurone?
Spiegelneurone sind besondere Nervenzellen im Gehirn, welche die Grundlage unserer emotionalen Intelligenz bilden. Sie sind ein Resonanzsystem in unserem Gehirn, das uns unbewusst die Gefühle und Stimmungen anderer Menschen erkennen und uns daraufhin empathisch verhalten lässt – vergleichbar mit der Resonanz, die erzeugt wird, wenn eine Gitarrensaite gezupft und dadurch auch die anderen Saiten zum Schwingen gebracht werden.

Spiegelneuronen werden schon aktiv und lassen in unserem Gehirn ein Spiegelbild und Mitgefühl entstehen, wenn wir eine Handlung nur beobachten. In Sekundenbruchteilen können Spiegelneuronen aufgrund weniger »Töne« bereits intuitiv die gesamte »Melodie« erkennen, die bei unserem Gegenüber gespielt wird, sodass wir uns einfühlen und mit unseren Mitmenschen in Resonanz kommen können.

Die Fähigkeit zu lieben ist eine besonders zauberhafte Form von einer solchen Resonanz, die einem »kommunikativen Tanz« ähnelt. »In der Liebe«, so schreibt Joachim Bauer, »kommt es zu einer besonders starken Aktivierung neuronaler Netzwerke, die in uns selbst in spiegelnder Weise zum Schwingen bringen, was der andere gerade fühlt oder was ihn bewegt. Das Geheimnis der Liebe scheint in der spontanen und mühelos ausgeübten Kunst zu liegen, sich auf den anderen einzustimmen.«

Wie entstehen Empathie und die Fähigkeit zu lieben?
Die Spiegelneurone gehören zwar zur neurobiologischen Grundausstattung und ermöglichen es einem Säugling, mit seiner Umgebung in emotionalen Kontakt zu treten, Signale auszutauschen und ein erstes Urgefühl des Sich-Verstehens zu entwickeln. Allerdings müssen die Spiegelneuronen erst noch reifen. Empathie ist somit nicht angeboren. Empathiedefizite sind Spiegelungsdefizite. Erst geglückte Spiegelungen (bei liebevoller mütterlicher Zuwendung) lassen ein Gefühl der Bindung entstehen, was zur Liebe befähigt und zu körperlichem und seelischem Glück führt. Umgekehrt rufen verweigerte Spiegelungen beim Säugling massive Unlustreaktionen hervor, die in einem emotionalen Rückzug und letztendlich in einer Entwicklungsstörung enden können. Ersterfahrungen – sei es etwas Schlimmes oder etwas Liebevolles – hinterlassen besonders intensive Spuren im Gehirn.

Die kindlichen Spiegelsysteme können sich nur dann gut »einspiegeln«, wenn Betreuungspersonen persönlich anwesend sind und individuell als lebende Vorbilder auf Aktionen des Kindes reagieren. Das Spielen ist dabei enorm wichtig, da es ein intuitives Durchspielen von Optionen des Handelns und Fühlens ermöglicht. Bei normaler Entwicklung erwirbt ein Kind zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr durch solche »Rollenspiele« Empathie. Durch das Erlernen einer Sprache wird das Kind ergänzend in die Lage versetzt, Spiegelbilder der eigenen Vorstellungen in anderen Personen wachzurufen und dadurch gegenseitiges Verstehen zu erzeugen.

Wie wichtig sind emotionale Spiegelungen?
Interessant ist, dass die Spiegelneurone genau in dem Hirnareal liegen, das auch die Sprache erzeugt. Joachim Bauer berichtet von einem Experiment des Staufer-Kaisers Friedrich II. Dieser ließ Säuglinge von Ammen betreuen, denen es verboten war, mit ihnen zu sprechen oder Zuneigung zu zeigen. Er wollte herausfinden, ob sie die Ursprache der Menschen sprechen würden. Alle Kinder starben. Der Chronist Salimbene von Parma (1221-1288) schrieb dazu: »Sie vermochten nicht zu leben ohne das Händepatschen und das fröhliche Gesichterschneiden und die Koseworte ihrer Ammen.«

Auch bei Mobbing finden Spiegelungen nicht mehr statt, wenn der Blick verweigert wird, der Gruß nicht mehr erwidert wird und Ausgrenzung signalisiert sowie Gesten auf eiskalte Reaktionslosigkeit stoßen. Joachim Bauer macht eindrucksvoll deutlich, dass Menschen, die von solchen Kränkungen und sozialer Isolation betroffen sind, früher oder später krank werden. Auch dieses Beispiel betont die Wichtigkeit guter zwischenmenschlicher Beziehungen, für die gut ausgereifte Spiegelneuronen die Basis bilden.

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