Buchvorstellung – »Überflieger-Formel«
Seit unser Sohn studiert, scheint er voll im Stress zu sein. Damit das anders wird, schenkten wir ihm das 206-seitige Buch Überflieger-Formel: Für bessere Noten und nachhaltigen Erfolg im Studium, Studienscheiss Verlag, Aachen 2021. Der Verlag heißt tatsächlich so. Der Gründer, Tim Reichel, erklärt: »Ich zeige dir, wie du dein Studentenleben in den Griff bekommst und dein Potenzial voll ausschöpfen kannst – ohne dich dabei auszubeuten. Mit meinen Artikeln und Büchern helfe ich dir dabei, erfolgreicher und glücklicher zu studieren als jemals zuvor. Zusammen machen wir dein Studium zur schönsten Zeit deines Lebens.« Ich finde, da passt die Überflieger-Formel bestens ins Sortiment.
Die ausgezeichneten Noten sind ja schon da bei unserem Sohn und die Begeisterung für sein Studienfach Game Design leuchtet nach wie vor aus seinen Augen, wenn er davon erzählt. Doch wir fragten uns: Geht das denn nicht alles auch mit weniger Stress und mehr Leichtigkeit? Staunend las ich: »Leider haben sich die Zeiten geändert. Aktuelle Berichte der Krankenkassen vermitteln den Eindruck, dass die gestiegenen Anforderungen immer mehr Studenten an und über ihre Belastungsgrenzen treibt. In einer Umfrage der AOK zum Thema Studierendenstress klagten mehr als 70 Prozent der 18.000 Befragten über einen hohen Zeit-, Leistungs- und Erwartungsdruck. Überforderung, Nervosität, innere Unruhe und Selbstzweifel wurden fast genauso oft genannt.«
https://hochschulinitiative-deutschland.de/blog/leistungsdruck-im-studium-loswerden
Der Autor Dr. Jan Höpker weiß, wovon er schreibt: »Inzwischen habe ich mehr als 30 Jahre Lernerfahrung, denn nach meiner Promotion habe ich weitergelernt. Ich habe Hunderte Bücher und Studien über Zeit- und Selbstmanagement, Lern- und Erfolgs-Psychologie, Fokus, Konzentration und Lernmethoden studiert. Außerdem habe ich Aufsätze und Bücher zu diesen Themen geschrieben, die in Summe weit über eine Million Mal gelesen wurden. Der am häufigsten gelesene Artikel handelt von den sieben Geheimnissen der besten Studenten. In dem Artikel vertrete ich die These, dass die Noten der meisten Studenten nicht von ihrem Fleiß und Talent abhängen, sondern von den Lernmethoden, die sie sich per Zufall angewöhnt haben.« Seine Hypothese hat er in die Überflieger-Formel gepackt, die alle Erfolgsfaktoren enthält und zeigt, wie sie zusammenwirken: Erfolg = (Methoden + Bedingungen) x Umsetzung
Unter einem Überflieger versteht Jan Höpker keinen Streber, der von Ehrgeiz und Egoismus angetrieben wird, oder einen Übermenschen, sondern einen Studenten, dessen akademischer Erfolg das Nebenprodukt einer Denk- und Lebensweise ist, die im Buch ausführlich beschrieben wird. Überflieger lernen nicht länger, sondern nutzen ihre Zeit besser. Im ersten Abschnitt geht es um konkrete Lerntechniken. Der zweite Abschnitt dreht sich um erfolgsfördernde Gewohnheiten und Maßnahmen. Der dritte Abschnitt handelt von der praktischen Umsetzung. Jan Höpker wirft am Schluss des Buches die Frage auf, warum die Zielverfolgung solche Schwierigkeiten bereitet? Seine Antwort: »Das menschliche Gehirn ist sehr viel besser darin, Ziele zu formulieren, als Zielabsichten zu verfolgen.«
Dann kommt er auf den in meinen Blogbeiträgen oft zitierten Reiter und seinen Elefanten zu sprechen: »Der Elefant ist offensichtlich deutlich stärker als der Reiter. Wenn der Elefant etwas unbedingt will, dann kann ihn nichts und niemand von seinem Vorhaben abbringen. Das Gleiche gilt für den Fall, dass er etwas partout nicht will, etwa, weil er Angst hat. Nur wenn der Elefant gerade willenlos vor sich hin stapft, lässt er sich auf die Anweisungen des Reiters ein, denn der hat einen besseren Überblick und weiß, wo es langgeht. Die Werkzeuge des Reiters heißen Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und Ziel-Management. Doch genau diese Werkzeuge versagen, wenn Interferenz auftritt. Ein neues Ziel zu verfolgen, bedeutet, dass der Reiter den Elefanten dazu bringen muss, den ausgetrampelten Pfad zu verlassen, um ein neues Ziel anzusteuern. Ziel-Interferenz tritt dabei immer dann auf, wenn sich Reiter und Elefant nicht einig sind und/oder wenn Ablenkungen und Hindernisse auftauchen, die nicht einfach ignoriert werden können.« Das können dann externale Unterbrechungen sein wie ein umgestürzter Baum, der den Pfad versperrt, oder internale Ablenkungen, zum Beispiel ein Baum abseits des Weges mit verlockenden Marulafrüchten oder eine attraktive Elefantendame. Doch gemäß Jan Höpker hat auch der Reiter seine Schwächen, beispielsweise Planungsfehler und Vergesslichkeit. Gerade unsere Zielabsichten unterliegen nur allzu oft einer Vergessenskurve. Wenn wir anspruchsvolle Zielabsichten haben, brauchen wir einen effektiven Plan, der auch einkalkuliert, was wir tun, wenn Externes oder Internes eintritt, das unseren Plan durchkreuzt.
Und noch ein Elefantenvergleich findet sich im Überflieger-Buch, nämlich der mit dem Elefantenbaby, das über eine Kette an einem Pflock befestigt ist. Es zieht an der Kette und lernt so aus eigener Erfahrung, dass seine Bemühungen, sich zu befreien, aussichtslos sind. Obwohl der Elefant einige Jahre später so stark geworden ist, dass er den Pflock mit Leichtigkeit aus dem Boden reißen könnte, unternimmt er keine Fluchtversuche mehr. In der Psychologie wird dieses Verhalten »erlernte Hilflosigkeit« genannt. Jan Höpker ermuntert in seinem Überflieger-Buch, das eigene Verhalten zu hinterfragen, denn manche Erfahrungen, die in der Kindheit gemacht wurden, könnten zu einem erlernten Vermeidungsverhalten geführt haben, das im Erwachsenenalter keinen Sinn mehr macht, weil sich die Rahmenbedingungen in unserem Leben geändert haben.
Hervorheben möchte ich noch einen ganz besonderen Punkt, den ich erst sehr spät in meinem Leben gelernt habe: Pausen sind keine Zeitverschwendung. Jan Höpker schreibt dazu: »Dass Pausen nicht das Gegenteil von Lernen, sondern ein wichtiger Bestandteil des Lernens sind, ist für viele Menschen schwer zu glauben. Sie gehen davon aus, dass ihr Gehirn in den Pausen ebenfalls eine Pause macht, doch in Wahrheit tut es das nicht.« Doch unser Gehirn lernt nur dann passiv weiter, wenn wir in einer Lernpause entweder gar nichts tun oder einer Tätigkeit nachgehen, bei der wir unseren Gedanken freien Lauf lassen können. Jan Höpker zählt auf: »spazieren gehen, Mittagsschlaf halten, meditieren, aufräumen, die Wäsche machen, den Müll runterbringen, kochen, den Abwasch machen, duschen, essen, einkaufen, Sport treiben und so weiter.« Keine Lernpausen für das Gehirn sind Lesen, anstrengende Gespräche oder alle Aktivitäten, bei denen wir auf einen Bildschirm schauen, im Gegenteil, so tragen wir dazu bei, dass wir das gerade neu Gelernte schneller wieder vergessen.
Das Überflieger-Buch ist voll von wertvollen Tipps für alle, die im Leben gern stetig dazulernen möchten. Für mich persönlich habe ich zwei Tipps mitgenommen:
1) Nicht bis zum Ende eines Kapitels lernen bzw. in meinem Fall – schreiben. Nicht nur deshalb, weil man nach einer Pause wieder schneller im Thema drin ist, sondern weil das Gehirn in der Pause dann weiterlernt bzw. in meinem Fall – weitere Ideen spinnt.
2) Dass unser Gehirn im Schlaf lernt, wissen die meisten. Neu war für mich das Detail, dass jeder, der ein Musikinstrument oder neue Tanzschritte lernen möchte, unbedingt ausschlafen sollte. Grund dafür ist, dass solche Fertigkeiten vor allem im leichten Non-REM-Schlaf erlernt werden, insbesondere in der siebten und achten Schlafstunde.
Die Ganzheitlichkeit, mit der Jan Höpker an sein Thema »erfolgreiches Lernen« herangeht, hat mir sehr gut gefallen, und natürlich die beiden Elefantenvergleiche, die mich selbst so sehr faszinieren. Denn mit Lernmethodik allein ist es gewiss nicht getan. Das gilt übrigens auch für uns, die wir vielleicht schon ein bisschen länger jung sind. Wenn ich eins aus meinen Recherchen zu RELING gelernt habe, dann das: Gesund zu altern – das bedeutet, lebenslang zu lernen. Niemals dürfen wir geistig in den Ruhestand gehen, wenn wir bis zum Lebensende geistig fit bleiben möchten.
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