Fotoausflug – Auf der Suche nach alten Karyatiden
Als es frisch geschneit hatte, machten wir uns sofort auf zu einem Fotospaziergang in unserer Stadt. Wer konnte schon wissen, wie lange der Schnee in Potsdam liegen bleiben würde? Wir hatten ein besonderes Ziel – die Gregor-Mendel-Straße nahe der Jägerallee. Dort wollten wir uns auf die Suche nach den Karyatiden machen, die auf einem Schwarz-Weiß-Foto von 2008 den Hauseingang einer alten Villa zierten. Die befreundete Hobbyfotografin hatte sich gefragt, ob die maroden-verwunschenen Motive inzwischen vielleicht schon längst restauriert waren. Das wollten wir heute herausfinden, obwohl uns die genaue Hausnummer nicht bekannt war.
Auf dem Weg dorthin fotografierten wir eine Amorette, die den geflügelten Amorknaben darstellt. Solche Dekorationen waren während der Barock- und Rokokozeit weit verbreitet.
In anderen Gärten sahen wir noch weihnachtliche Dekorationen.
Noch schöner waren die winterlich angehauchten Blüten.
Kinder erklommen mit ihrem Schlitten den Ruinenberg, um sich das Vergnügen einer schnellen winterlichen Talfahrt zu gönnen, während wir dem Normannischen Turm entgegenstrebten, der zu den historischen Aussichtspunkten in Potsdam zählt.
Wir konnten vom Ruinenberg zu Schloss Sanssouci hinübersehen, so wie die Schneemann-Karyatide. Wobei – eigentlich war der Schneemann kein Säulenersatz, sondern lehnte sich an eine schrägliegende Säule an.
1748 hatte Friedrich der Große auf dem Ruinenberg ein Wasserbecken anlegen lassen, das die Fontänen des Parks Sanssouci speiste. Er ließ es ringsum mit antik anmutenden Gestaltungselementen versehen. Dieses Arrangement künstlicher Ruinen mit monumentalen Säulen, einem Rundtempel und einer Pyramide spiegelten sich im Wasserbecken. Ebenso der 23 Meter hohe Normannische Turm in der Art eines mittelalterlichen Wachturms, der erst 100 Jahre später unter König Friedrich Wilhelm IV. vom Architekten Ludwig Persius hinzugefügt wurde.
Die Einsiedelei hinter uns lassend, kamen wir an den Damen der feinen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts vorbei, die – wie unser Elefantenhaus – von der Potsdamer Firma ART-EFX gestaltet wurden.
Bald darauf bogen wir in die Gregor-Mendel-Straße ein, wo wir nach den alten Karyatiden Ausschau halten wollten. Ein alter Zaun erregte unsere Aufmerksamkeit.
Könnte das unser gesuchtes Gebäude sein? Nein, außer einer verwunschenen Rose war hier nichts zu entdecken, was einer Karyatide ähnelte.
Was ist eigentlich eine Karyatide? Wer sich die Zeichnungen im Titelfoto näher angeschaut hat, ahnt es bereits: Karyadtiden sind Skulpturen weiblicher Figuren, die in der Architektur eine tragende Funktion haben. Sie tragen die Last frei auf dem Kopf, während die Arme oft seitlich am Körper herabhängen.
Atlanten sind meist das männliche Gegenstück, nämlich muskulöse Männerfiguren, die im Unterschied zur Karyatide die Arme erhoben und oft auch den Oberkörper vornübergebeugt haben, um das Tragen der Last auf den Schultern zu veranschaulichen. Sowohl Karyatiden als auch Atlanten wurden anstelle einer Säule oder eines Pfeilers gesetzt. Doch das Atlantenpaar war nicht das, was wir suchten. Wir waren ratlos, wie die Denker-Skulptur, die wir auf einem der Balkone entdeckten.
Es sah so aus, als ob es die maroden-verwunschenen Karyatiden tatsächlich nicht mehr gab. Wie schade! Wir machten uns wieder auf den Heimweg und stießen dabei auf die traurigen Reste einer Schneemannfamilie. Wir verstanden sofort, warum die Kinder – in Einsiedelei-Zeiten wie diesen – gleich eine ganze Familie eng zusammengestellt hatten.
Wieder zu Hause angekommen, sortierten wir unsere Fotos. Eines hätten wir fast aussortiert. Doch bei genauerem Hinsehen stellten wir fest, dass es einige Ähnlichkeiten mit dem Foto von den alten Karyatiden aufwies. Vielleicht waren aus den vier Karyatiden inzwischen zwei Hermen geworden. So werden in der antiken Kunst Pfeilerschafte mit aufgesetztem Kopf und Schultern genannt. Diese Köpfe sehen den alten Grazien doch wirklich sehr ähnlich, oder? Aber waren sie es wirklich?
Doch einige Zeit später entdeckten wir die vier gesuchten Karyatiden doch noch, allerdings in der Weinbergstraße. Auch wenn wir wegen der hohen Büsche nicht ganz aus der gleichen Perspektive fotografieren konnten – dieses Mal waren wir uns ganz sicher, dass es die gesuchten Grazien waren. Alle vier waren inzwischen restauriert worden. Auch die Umgebung stimmte: der ehemalige Überbau, die Tür, das Fenster mit der besonderen Mittelsäule und die Figur darüber. So war unsere Suche doch noch von Erfolg gekrönt.
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Liebe Iris Sofie, ich freue mich so sehr über die Fotos. Nun weiß ich doch, dass die wunderschönen Figuren erhalten wurden. Herzlichen Dank für deine Suche!! Liebe Grüße aus Köln, Karin