Buchvorstellung – »Das Gedächtnis des Körpers«
»Ein Erlebniseindruck kann emotional so aufregend sein,
dass er beinahe so etwas wie eine Narbe in der Gehirnsubstanz hinterlässt.«
(William James, 1842 – 1910, Philosoph und Begründer der Psychologie in den USA)
»Hätten wir die Möglichkeit«, so der Autor Joachim Bauer, »einmal im Jahr eine Reise in unser Gehirn zu machen und uns dort mit einem Elektronenmikroskop umzusehen, würden wir jedes Mal erheblich veränderte ›Landschaften‹ entdecken … Welche Rolle spielen die Gene? … Der Genforscher und Molekularbiologe Jens Reich hat die Gene, die bekanntlich Träger unserer Erbanlagen sind, mit einem Konzertflügel verglichen. Ein Konzertflügel kann für sich alleine keine Musik machen. Das Instrument genügt nicht, es muss jemand auf ihm spielen. Wer aber ›spielt‹ auf den Genen? Dieser Frage ist dieses Buch gewidmet.«
Virtuos nimmt uns der Neurowissenschaftler und Psychosomatische Mediziner Prof. Dr. med. Joachim Bauer (* 1951) in seinem 271-seitigen Sachbuch »Das Gedächtnis des Körpers: Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern«, Piper Verlag, München 2013, mit auf eine Entdeckungsreise durch unseren Körper, um uns das Zusammenspiel von Gehirn und Genen verständlich zu machen. Wir lernen dabei, dass seelische Erlebnisse zahlreiche Gene aktivieren oder abschalten können. Die Nervenzell-Netzwerke unserer fünf Sinne speichern fortlaufend neue Eindrücke und Erfahrungen und verändern sich dabei gleichzeitig in ihren Feinstrukturen. Nach Ansicht des Autors ›spielen‹ vor allem Gefühlserlebnisse auf zwischenmenschlicher Ebene auf dem ›Konzertflügel‹, den wir geerbt haben. Die faszinierende Kernbotschaft lautet daher, dass Gene nicht nur steuern, sondern auch selbst gesteuert werden.
Welche unserer Gene durch Erinnerungsspuren zwischenmenschlicher Erlebnisse aktiviert werden, ist davon abhängig, wie die Nervenzell-Netzwerke der Großhirnrinde und des limbischen Systems die eingegangenen Signale »bewerten«. Situationen, die als gefährlich für den eigenen Organismus bewertet werden, aktivieren ein anderes »Orchester« von Genen als Situationen, die als angenehm, interessant oder als beherrschbar eingeschätzt werden. Negative Erfahrungen aktivieren über das zentrale Stressgen ein ganzes »Panikorchester«, während positive Erfahrungen die Gene zur Ausschüttung von gesundheitsfördernden Nervenwachstumsfaktoren anregen.
Ausführlich geht Joachim Bauer darauf ein, wie Missklänge – beispielsweise durch Dauerstress, aber auch durch Traumen – entstehen können, zeigt aber auch klar auf, dass es in unseren eigenen Händen liegt, welche Musik größtenteils in Geist, Seele und Körper gespielt wird. Kurz streift er den Gedanken, dass die Einnahme von Drogen tiefe Einschlagspuren im Gehirn hinterlässt. Noch wichtiger ist ihm, uns darauf hinzuweisen, dass wir durch unseren Lebensstil täglich unsere Gene der Kreislauf-, Blutzucker-, Hormon- und Stressregulation beeinflussen.
Am Wichtigsten ist Joachim Bauer jedoch, uns zu vermitteln, dass vor allem zwischenmenschliche Beziehungen, auch am Arbeitsplatz, deutliche Spuren in Seele und Körper hinterlassen. Im Negativfall wird uns sozusagen der Marsch geblasen, wenn nämlich die Regulation der Stressgene zu ernsten körperlichen und seelischen Erkrankungen führt wie Tumoren, Herzanfällen, chronischen Schmerzkrankheiten, Depressionen, Posttraumatischen Belastungsstörungen etc. Es wundert mich nicht, dass Untersuchungen belegen, dass das Burnout-Syndrom die höchsten Raten an psychosomatischen Beschwerden aufweist. Das bedeutet, dass nicht nur Stoffliches, sondern vor allem auch Nichtstoffliches wie zwischenmenschliche Situationen massiv die neuronale Aktivität im Gehirn beeinflussen. Mehr Informationen über unsere Wahrnehmung anderer Menschen finden sich in einem weiteren Sachbuch von Joachim Bauer mit dem Titel »Warum ich fühle, was du fühlst: Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone«.
Mein Fazit aus dem Buch ist, dass ich durch die positive Gestaltung meines Lebens entscheidend daran mitwirke, was sich neurobiologisch in mir abspielt. Als Glückstherapeutin begeistert mich die Erkenntnis, dass unsere Erbanlagen KEIN selbstspielendes Klavier sind, auf dessen Selbstspiel-Automatik wir keinen Einfluss haben, wie das lange Zeit geglaubt wurde. Unsere Gene funktionieren NICHT auf eine starr festgelegte Weise, sodass unser Leben eben NICHT bis ins Kleinste erblich vorprogrammiert ist. Wir können in hohem Maße selbst bestimmen, durch welche Einflüsse unsere Gene reguliert werden. Es liegt in unserer eigenen Verantwortung, wer auf unserem Konzertflügel (unseren Erbanlagen) »spielt« bzw. was darauf »gespielt« wird.
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