Buchvorstellung – »Melatonin: Das Geheimnis eines wunderbaren Hormons«

»Stellen Sie sich Ihre Organe als Orchester vor, das nur durch perfektes Zusammenspiel unter der Leitung eines begnadeten Dirigenten reibungslos funktioniert. Am Dirigentenpult: Melatonin, unser körpereigener Taktgeber, der für den Rhythmus sorgt und in der Nacht an alle wichtigen Körperfunktionen und Organe das Signal zur Regeneration gibt. Stimmt unser Rhythmus nicht mehr, kommt unser Körper aus dem Gleichgewicht.«
So stellt uns Dr. Jan-Dirk Fauteck die Rolle des Star-Hormons Melatonin vor: Dirigent der Zellmusik. Der Chronobiologe, der seit über zwei Jahrzehnten die inneren Uhren im menschlichen Organismus erforscht (jede einzelne Zelle verfügt über eine eigene innere Uhr), ist Autor des 272-seitigen Sachbuchs Melatonin: Das Geheimnis eines wunderbaren Hormons, Christian Brandstätter Verlag, Wien 2017.
Die Hauptuhr im Gehirn, nach der die vielen Nebenuhren getaktet sind, ist der SCN (Nucleus suprachiasmaticus), der mit der Melatonin produzierenden Zirbeldrüse verbunden ist. Gemäß einer der vielen Abbildungen von Dr. Fauteck, die ich sehr geschätzt habe, weil diese die Zahlen, Daten und Fakten so gut verbildlicht haben, wurden Melatoninrezeptoren im SCN nachgewiesen. Das bedeutet, dass der SCN maßgeblich durch Lichtreize gesteuert wird. Er wird durch den Wechsel von Tag und Nacht täglich aufs Neue auf den 24-Stunden-Rhythmus eingestellt. Durch Melatonin wird dann der gesamte Körper über die Schlaf-Wach-Phasen informiert. Wird unser Melatoninhaushalt, und damit das komplexe Zusammenspiel der inneren Uhren, durch Rhythmuszerstörer (z. B. langes Aufbleiben in künstlichem Licht) dauerhaft gestört, können aus dieser Chronodisruption mehr als hundert schlafbezogene Leiden entstehen, DENN …
Melatonin wirkt
schlaffördernd,
antioxidativ,
immunschützend,
neuroprotektiv,
antientzündlich,
schmerzlindernd,
krampflösend,
blutdrucksenkend,
antidiabetogen,
krebspräventiv,
antidepressiv.
Das Hauptproblem mit dem Tausendsassa Melatonin ist die altersabhängige Veränderung des Melatoninlevels. Wie aus nachfolgender Abbildung hervorgeht, die ich als Beispiel aus dem Buch abfotografiert habe, nimmt die Melatoninproduktion im Laufe des Lebens stark ab.

Im Kindesalter ist der Melatoninspiegel am höchsten, was erklärt, warum die Kleinen wie ein Baby schlafen können. Im Alter von 60 bis 70 Jahren sieht das völlig anders aus. Der Melatoninspiegel entspricht weniger als einem Zehntel des Höchstwertes und die Sekretionsdauer beträgt nicht mehr sechs bis sieben, sondern eher nur zwei bis drei Stunden.
Untersuchungen bestätigen, dass mehr als 80 Prozent aller Menschen über 70 Jahre einen Mangel an Melatonin haben und deshalb oft unter Schlafstörungen leiden. Das Schlafhormon Melatonin sorgt dafür, dass wir nachts schlafen können, während uns das Wachmacher-Hormon Cortisol in der Früh auf Trab bringt und tagsüber aktiv sein lässt, bis es am Abend quasi das Zepter wieder an das Melatonin, das Hormon der Dunkelheit, übergibt, das den Organen das Signal für den Nachtbetrieb und damit für die Regeneration gibt.
> Hätten wir gewusst, dass Melatonin nicht nur unseren Tiefschlaf fördert, sondern auch Signalgeber für die Regeneration unserer Organe ist?
Bleiben wir zu lange wach, abgelenkt von Handy, TV, Computer und permanenten Lichtquellen, hemmen wir zusätzlich die Melatoninsekretion und alle damit verbundenen Vorteile für unsere Gesundheit. Dazu gehört auch die erhöhte abendliche Produktion des Wachstums- und Regenerationshormons HGH, die durch fehlendes Melatonin verlangsamt bzw. massiv gestört wird. Das gilt auch für andere Hormone wie ADH (Antidiuretisches Hormon), dessen Fehlen dazu führt, dass der Drang zu urinieren in der Nacht auf Tagesebene bleibt, was zu unnötigen Schlafunterbrechungen führt.
Auch ein Serotoninmangel kann zu Schlafstörungen führen, da aus Serotonin Melatonin gebildet wird, und zwar hauptsächlich in der Zirbeldrüse, die jedoch im Laufe der Zeit die Fähigkeit einbüßt, Melatonin in ausreichender Menge zu produzieren. Das liegt vermutlich in der reduzierten Durchblutung und wird noch gesteigert durch zu viel Alkohol und/oder Koffein und die Einnahme von Medikamenten wie beispielsweise Betablocker als Blutdruckmittel, Benzodiazepine als Schlafmittel, Schmerzmittel wie Aspirin oder Ibuprofen oder Antidepressiva. Kommt dann noch der Alltagsstress, womöglich Schichtarbeit oder Jetlag, und viel blaues Licht am Abend hinzu, wird die Melatoninproduktion noch mehr unterdrückt. Auch Erkrankungen wie das metabolische Syndrom (Fettleibigkeit, Bluthochdruck, erhöhte Blutfett- und Blutzuckerwerte) blockieren direkt das rhythmische Freisetzen von Melatonin.
> Hätten wir gewusst, dass eine einzige Tasse Kaffee die Ausschüttung von Melatonin und somit den Schlaf um bis zu eine Stunde verzögern kann?
> Hätten wir gewusst, dass die oben genannten Medikamente, ja selbst Schlafmittel, Probleme beim Ein- bzw. Durchschlafen verursachen können?
Interessant fand ich zudem, dass ein Zusammenhang zwischen alternden Augen und Melatoninproduktion entdeckt wurde. Nach dem 45. Lebensjahr erreichen weniger Sonnenstrahlen das innere Auge aufgrund des leichten Vergilbens der Okularlinse und der Verengung der Pupille. Oxidativer Stress spielt bei der AMD (altersbedingte Makuladegeneration) eine wesentliche Rolle, die zu einer Abnahme der Sehschärfe und der Lesefähigkeit führt. Grund genug, eine Melatonin-freundliche Lebensweise zu pflegen, denn Melatonin ist eines der stärksten Antioxidantien unseres Körpers. Es zeigt hervorragende Effekte als Radikalfänger, was wir nicht unterschätzen sollten, denn in jeder unserer Zellen entstehen täglich über 10.000 freie Radikale, die oxidativen Stress machen.
Aber, so mag jemand einwenden, ich habe bereits Melatonin eingenommen, aber es hat nicht so drastisch gewirkt, wie ich es erwartet habe. Nun, zunächst einmal wirkt Melatonin nicht wie ein klassisches Schlafmittel, sondern als ein Regulator des Schlaf-Wach-Rhythmus. Deshalb lässt sich die Wirkung besser beurteilen, wenn du dich fragst, wie erholsam dein Schlaf war, und nicht, wie lange es gedauert hat, bis du eingeschlafen bzw. wie oft du in der Nacht aufgewacht bist.
Möglicherweise, so Dr. Fauteck, hast du auch die falsche Art von Melatonin gewählt. Ein schnell freisetzendes Melatonin führt zu einem steilen Anstieg des Melatoninspiegels, der nach ein bis zwei Stunden wieder fällt. Langsam freigesetztes Melatonin hingegen braucht Stunden, bis es den Schlaf einleitet, und lässt auch oftmals nicht in den frühen Morgenstunden nach. Dr. Fauteck empfiehlt für eine Chronotherapie pulsatiles Melatonin, das nicht die gesamte Dosis auf einmal freisetzt, sondern etwa 1/3 sofort und den Rest pulsatil (schubweise) über die Nacht abgibt, um sowohl das Einschlafen als auch das Durchschlafen zu unterstützen.
Fasse man alle bis dato verfügbaren Ergebnisse zusammen, so Dr. Fauteck, resultiere dies bei einem Melatonin-Defizit älterer Menschen und damit verbundener Einschlafstörung und verfrühten Aufwachens in folgender Dosierungsempfehlung: Pulsatiles Melatonin in Höhe von 3 mg, bei Bedarf problemlos auf 6 mg zu steigern. Idealer Einnahmezeitpunkt: ca. 30 Minuten vor dem Zubettgehen, jedoch unbedingt immer vor Mitternacht.
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