Buchvorstellung zum Welttanztag (29.4.) – »Tanzen vor Freude …«

Cover fürs Buch »Tanzen vor Freude, Zittern vor Wut«

Zum heutigen Welttanztag habe ich das 236-seitige Selbsthilfebuch Tanzen vor Freude, Zittern vor Wut – Sich von Gefühlen bewegen lassen, PVU in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim 2019, von Psychotherapeutin Dr. Margit Koemeda gelesen. Wie der Untertitel verrät, geht es hierin nicht ums Tanzen an sich, sondern darum, wie wir unsere Gefühle»tanzen« lassen können, also zum Ausdruck bringen können, denn »E-Motion heißt: Bewegung aus sich heraus.«

Es hat mir gefallen, dass im Buch NICHT dafür plädiert wird, Gefühle zu dämpfen (durch Medikamente), abzuwehren (durch Anspannung der Muskulatur) oder zu vermeiden (durch Alkohol, Nikotin oder Zucker), sondern die Einladung der Autorin anzunehmen, sich vertieft mit dem eigenen Gefühlsleben auseinanderzusetzen: »Emotionen meistern heißt, sie regulieren zu lernen.«

Das Buch enthält eine Menge ausführlich beschriebener, praktischer Übungen und stellt Online-Material zur Verfügung, anhand dessen »Reiselustige« die persönliche Gefühlswelt mithilfe von körperpsychotherapeutischen Techniken erkunden können. Die Autorin ermutigt, sich auf das Abenteuer emotionaler Bewegung einzulassen, denn es verleiht uns Energie und einen Zuwachs an Vitalität: »Emotionen sind ein wesentlicher Aspekt unserer persönlichen Lebendigkeit.«

Den anfänglichen Selbsttest habe ich gemacht. Ich wurde unter anderem gefragt, ob ich in den letzten Tagen mindestens einmal meine Freude so stark habe werden lassen, dass ich jemanden anderen anstecken konnte, gar gesungen oder getanzt habe. Oder ist es mir immer wieder passiert, dass ich in Tränen ausbreche, wo ich eigentlich stark sein wollte? Habe ich mich meiner Gefühle und der dazugehörigen Ausdrucksformen geschämt? Oder regt mich nichts mehr auf, aber ich spüre auch kaum noch eigene Wünsche und Bedürfnisse?

Die Ausführungen von Dr. Koemeda haben mir geholfen zu verstehen, dass es Menschen gibt, die hinsichtlich ihrer Emotionen eher »überreguliert« sind und andere eher als »unterreguliert« bezeichnet werden können. Letztere erleben wir häufig von ihren Gefühlen überschwemmt und überwältigt, als unbeherrscht und unkontrolliert, gleichzeitig aber auch als lebendig, farbig und expressiv. Am anderen Ende der Skala finden wir Menschen, die stark vom Verstand gesteuert werden, die eher nüchtern, gehemmt und gefühlsarm wirken, aber dennoch dafür bewundert werden, dass sie sich weitestgehend im Griff haben. Dabei, so die Autorin, handle es sich oftmals um automatisierte Schutzhaltungen, deren Gefangene die Betroffenen geworden seien.

Das mit den automatisierten Schutzhaltungen hat mich näher interessiert, vor allem als Dr. Koemeda erklärte, solche überregulierenden Verspannungen und chronischen Haltemuster würden sich im Laufe der Zeit verselbstständigen, da wir sie aus dem Bewusstsein verlören. Sie würden aber auch dann noch automatisiert zum Einsatz gebracht werden, wenn sich die Lebensumstände längst geändert hätten, die Schutzhaltungen überflüssig oder sogar dysfunktional geworden seien.

Könnte das, so überlegte ich, der Grund dafür sein, dass ich immer noch häufig unter starken Muskelverspannungen bzw. tiefen Muskelverhärtungen leide, obwohl ich die größten Stressoren in meinem Leben schon lange ausgeschaltet habe? Dr. Koemeda meint dazu: »Emotionen sind ein Bereich unseres menschlichen Erlebens und Verhaltens, der ganz wesentlich von körperlichen Aspekten mitbestimmt ist. Wütend zu werden, ohne dass der Blutdruck steigt, ohne dass sich bestimmte Muskelgruppen anspannen […] ist kaum vorstellbar.«

Menschliche Reaktionsmuster sind höchst unterschiedlich, da sie durch Vorerfahrungen, persönliche Werte und Mindset überformt und stereotypisiert wurden. Im Laufe des Lebens kann es zu unvollständigen Stressreaktionen mit einer fortbestehenden Restaktivierung des Organismus kommen, beispielsweise wenn sich jemand unter bestimmten Umständen nicht wirkungsvoll zur Wehr setzen konnte. Diese Energie, die nicht deaktiviert werden konnte, bleibt als Resterregung im Körper – auf verschiedenen Aktivierungsniveaus. Bei mir ist es seit meiner Kindheit das Niveau der Alarm- bzw. Orientierungsreaktion. Seelischer Schmerz – verursacht durch Bestrafung, Beschämung und Demütigung – kann im Erwachsenenalter zu einer verinnerlichten abwertenden Stimme werden.

Ich habe mich in folgendem Reaktionsmuster wiedererkannt: Antennen dauerhaft ausgefahren und auf Empfang gestellt, übermäßig wachsam und äußerst reizempfindlich. Durch dieses Buch habe ich verstanden, dass meine unbewussten muskulären Abwehrhaltungen der Vermeidung weiterer Schmerzerfahrungen dienen. Sie wurden leider in früher Kindheit buchstäblich eingefleischt und können, so die Autorin, häufig nicht willentlich aufgegeben werden. Mein Gegenpol, den ich anstrebe, heißt Gelassenheit bzw. Rüssel hoch!

Es wird geduldiger Selbstbeobachtungen im Alltag bedürfen, vor allem mehr Körperwahrnehmung und Körperübungen, um meinen muskulären Mustern auf die Spur zu kommen und sie auflösen zu können. Übung 22 empfiehlt mir, das Spannungsmuster bis zu einem gefühlten Maximum zu erhöhen, um mir deutlich zu machen, was mein Körper da tut, und dann das Spannungsmuster bewusst in eine Entspannung aufzulösen.

Welches Gefühl treibt dich um? Was würdest du am liebsten tun, wenn du könntest? Ich glaube, es tut gut, sich immer wieder mit den eigenen Denk-, Fühl- und Verhaltensneigungen und deren Auslösern auseinanderzusetzen, um dem inneren Elefanten auf die Spur zu kommen, damit der Selbstausdruck unserer Gefühle noch freier und authentischer wird.

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