Buchvorstellung – »Fühl dich ganz«

Cover fürs Buch »Fühl dich ganz«

Es liegt in unserer Natur bzw. an unserem inneren Elefanten, nach angenehmen Gefühlen zu streben und unangenehme möglichst zu vermeiden. Schon von Geburt an wollen wir alle lieber süß statt bitter. Doch die Realität sieht so aus: Das Leben zeigt sich nicht immer von der glücklichen, fröhlichen und strahlenden Seite. Ob wir das wollen oder nicht, wir alle erfahren in unserem Leben auch Unangenehmes wie Angst, Zorn, Frust, Scham, Abschiede und Neuanfänge, denn das alles gehört zum Menschsein dazu. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen: Es klappt auf Dauer nicht, die unangenehmen Gefühle in sich abzustellen, um im Alltag funktionieren zu können, denn damit deaktiviert man in sich gleichzeitig auch die Fähigkeit, die angenehmen Gefühle auskosten zu können, was unweigerlich darin endet, dass man sich erschöpft, leer und ausgebrannt fühlt.

Genau das – ein Leben auf emotionalem Abstand – führte auch der Psychologe Lukas Klaschinski, der Autor des 256-seitigen Sachbuchs Fühl dich ganz – Was wir gewinnen, wenn wir unsere Emotionen verstehen und zulassen, Knaur Balance Verlag, München 2024. Erst ein Nahtoderlebnis machte ihm seine innere Haltung zu Gefühlen bewusst und führte dazu, dass er sich zentralen Lebensfragen stellte: Wenn ich heute hier gestorben wäre, hätte ich dann wirklich gelebt? Was will ich künftig anders machen? Was ist mir wirklich wichtig?

Lukas Klaschinski plädiert dafür, sich dem Leben gegenüber nicht zu versperren, sondern gefühlsbereit zu sein, und zwar für alle Gefühle: »Wer seine Fähigkeit entwickelt, all seine Gefühle zu spüren, kann auf eine ganz besondere Art frei sein.« Wie das gemeint ist, erklärt der Autor nach und nach in seiner authentischen Gefühlsbiografie. Sein persönlicher Reisebericht über den langen Weg, zu allen seinen Gefühlen stehen und sie in ihrer Ganzheit annehmen zu können, ist eine ausgesprochen offene und mutige Art und Weise das psychologische Thema Gefühle anzugehen, mit der er sich unterscheidet von psychologischen Autoren und Autorinnen vor ihm mit Büchern wie Besser fühlen: Eine Reise zur Gelassenheit (2021) von Leon Windscheid, in dessen Mittelpunkt die Gefühlsbalance steht, oder Die revolutionäre Kraft des Fühlens (2019) von Maria Sanchez, bei der es vor allem um emotionale Selbstbegleitung geht oder der Longseller Das Kind in dir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme (2015) von Stefanie Stahl, mit der Lukas Klaschinski den gemeinsamen Psychologie-Podcast So bin ich eben herausgibt.

Doch so verschieden die oben genannten psychologischen Ratgeber und die dadurch angesprochene Leserschaft auch sind, die Autoren bzw. Autorinnen sind sich darin einig, dass es im Leben letztlich immer um Gefühle geht bzw. dass Gefühle der Schlüssel zu einem erfüllten Leben sind. Lukas Klaschinski schreibt aus eigener Erfahrung: »Wir Menschen sind Fühlwesen.« Und ein paar Seiten weiter: »Du kannst nicht heilen, wenn du nichts fühlst.« Deswegen nennt er in seinem Buch viele Werkzeuge aus der ACT (Akzeptanz- und Commitment-Therapie), die bei der Auseinandersetzung mit dem inneren Erleben hilfreich sein können. Denn, so der Autor, der Umgang mit Gefühlen, vor allem mit den unangenehmen wie Scham, Trauer, Wut oder Einsamkeit, sei Übungssache. Allerdings gibt er selbst zu, dass »die ganze Theorie Platz machen kann, wenn die Erfahrung durch die Tür kommt.« Ganz recht, letztendlich zählen nur die eigenen, ganz persönlichen Gefühlserfahrungen, denn: »Verstehen ist nicht fühlen, beobachten ist nicht fühlen, fühlen ist fühlen.«

Als Schriftstellerin kann ich gut nachvollziehen, dass sich Gefühle nicht wirklich zufriedenstellend mit Worten beschreiben lassen, genauso wenig wie man meiner Meinung nach einem Blinden nachvollziehbar erklären kann, was eigentlich Farben sind. Lukas Klaschinski begegnet dieser Schwierigkeit, indem er sein eigenes Gefühlsleben mit ungewöhnlich vielen bildhaften Vergleichen schildert, was mir gut gefallen hat. Wer ein Instrument spielt, versteht besonders gut den Vergleich der wechselnden Gefühle mit den Akkorden auf einem Klavier, die mal fröhlich, mal traurig klingen können. Überhaupt hat Musik die Macht, Erinnerungen an Momente wach werden zu lassen, die mit bestimmten Gefühlen verbunden sind.

Jeder kann auch mitfühlen, wenn er liest, dass es draußen vor Tür Selbstvorwürfe regnete und der Autor keinen Schirm dabeihatte. Oder wenn er davon spricht, dass der Stachel tief saß. Oder dass er das Gefühl hatte, wie von einer Riesenwelle im Atlantik weggespült zu werden. Es erinnerte mich an die Beschreibung eigener Gefühle in meiner beruflichen Biografie mit der Titelfrage Kaputtgekündigt…‽ Ich beschrieb meine Empfindungen so: »Wieder eine Kündigung. Weitere Ungerechtigkeiten und tiefgreifende negative Erfahrungen lagen hinter mir, die bei mir einen inzwischen freiliegenden Nerv getroffen hatten. Wieder fühlte ich mich ausgeliefert, abgelehnt und geringgeschätzt. Die in mir aufsteigende aggressive Wut und der wachsende depressive Kummer darüber kamen mit der Urgewalt einer riesigen Flutwelle über mich und rissen mir den Boden unter den Füßen weg. Ich trieb schiffbrüchig im Meer. Die harte Realität hatte gewonnen und alle meine Träume und Hoffnungen zerstört!« Seit ich diesen hohen emotionalen Wellengang durchlebt habe, spüre ich heute die angenehmen Gefühle wie Dankbarkeit, Liebe, Lebensfreude und Glück umso tiefer.

Im Kapitel Glück, der stärkste Magnet der Welt erzählt Lukas Klaschinski von einem Ereignis, das ihn »unbeschreiblich glücklich« machte – die Geburt seiner Tochter. Nur schade, dass er sich in diesem letzten Kapitel so stark auf Glücksmythen, Toxic Positivity und Glücksfallen konzentriert. Er vergleicht das krampfhafte Streben nach Glück mit der Jagd nach der imaginären Möhre, die vor uns hängt und verhindert, dass wir im Hier und Jetzt glücklich sind.

Ja, es stimmt, wir sollten unser Glück nicht in die Zukunft verschieben, weil wir es sonst verpassen. Doch warum am Schluss die Frage in den Raum werfen, was denn sei, wenn es im Leben gar nicht ums Glück ginge? Warum so nüchterne Gedanken äußern wie: »Gefühlsbereitschaft und die Werkzeuge des Lebens haben nicht das Ziel, uns glücklich zu machen. Sie sollen uns stattdessen dabei helfen, das Leben mit seinen Herausforderungen bestmöglich zu meistern und unser Leben entsprechend unseren Werten auszurichten. Die angenehmen Gefühle, die sich dabei einstellen können, sind eher der positive Nebeneffekt.«

Als Glückstherapeutin bin ich da anderer Meinung. Unter dem Motto Rüssel hoch! Genieße den Augenblick! werde ich Glück nie nur als Nebeneffekt in meinem Leben ansehen, sondern stets aktiv darauf hinarbeiten, so viele Glücksmomente in meinem Leben zu sammeln, wie ich nur kann und sie gern auch mit anderen zu teilen. Denn – so lebe ich im Einklang mit meinem inneren Elefanten, meinem Unterbewusstsein, dass immer nach angenehmen Gefühlen strebt. Genau weil wir Menschen so beschaffen sind, ist ja das Glück der stärkste Magnet der Welt.

Für mich ist das Gefühl des Glücks nicht das Streben nach einem kurzen Genusskick oder Erlebnissen der oberflächlichen Vergnügtheit, sondern ein wohltuendes Gefühl der Zufriedenheit. Es ist für mich das Bewusstsein, die Schönheit der einfachen Dinge sowie die kleinen Lichtblicke und Freuden des Alltags in Verbundenheit mit der Natur oder lieben Menschen genießen zu können, was sich in der Gesamtheit immer mehr zu einem inneren Glücksschatz schöner Erinnerungen zusammenfügt. In der Glücksforschung der Positiven Psychologie spricht man deshalb nicht von einem glücklichen, sondern von einem geglückten Leben.

Für mich ist diese Art des inneren Glücks keine Nebensache, sondern – wie der Untertitel es sagt – das Beste, was wir alle gewinnen können, wenn wir unsere Emotionen verstehen und zulassen. Wir sollten in unserem Leben alle Tasten erklingen lassen, die gesamte Klaviatur der Gefühle, so wie sie nun mal alle in unser Leben kommen. Die Kunst des Lebens liegt für mich darin, die Ganzheit der Gefühlspalette bespielen zu können und dabei trotzdem glücklich zu bleiben, denn dann können wir als Menschen eines Tages sagen, dass wir wirklich gelebt haben. Meine Vision ist, durch meine Rüssel-hoch-Bücher, die jeweils einen speziellen Glücksfaktor zum Thema haben, noch möglichst viele Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass sie aktiv mehr Glück in ihr Leben ziehen können.

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