Buchvorstellung – »Der Takt des Lebens«

Leuten, die vor lauter Liebe
den Verstand verloren hab’n.
Aber es gibt auch viele, die
vor Verstand die Liebe
verloren haben.«
Jean Paul
❤️
Mit obigem Zitat beginnt der faszinierende Erfahrungsbericht – von mir als Hörbuch verkostet – des Herzchirurgen, Intensivmediziners und Notarztes Dr. Reinhard Friedl, der buchstäblich schon viele tausend Herzen in Händen hielt. In seinem 320-seitigen Buch Der Takt des Lebens: Warum das Herz unser wichtigstes Sinnesorgan ist, Goldmann Verlag, München 2019, erzählt er, wie er frühgeborene Babys am Herzen operiert, die Herzklappen hochbetagter Patienten repariert, Kunstherzturbinen implantiert und Messerstichverletzungen am Herzen genäht hat. Aber vor allem erzählt er davon, wie er von der nüchternen Betrachtungsweise seines Verstandes zu einem ganzheitlicheren Verständnis des Herzens gefunden hat, und zwar ganz im Sinne des französischen Philosophen Blaise Pascal: »Das Herz hat seine Geheimnisse, die der Verstand nicht kennt.«
Die teilweise erstaunlichen Inhalte des Buches werden auf sehr lebendige und bewegende Weise von Peter Weiß vorgelesen. Für mich war das Hörbucherlebnis ein faszinierender Einblick in den Operationsalltag eines Herzchirurgen, der seinen Beruf wirklich liebt. Reinhard Friedl eröffnet sein Buch mit folgenden Worten:
»BuBumm, BuBumm, BuBumm – Sie hören ihn meist nicht, aber wenn Ihr Herzschlag plötzlich weg wäre, wären es auch Sie. Denn Sie leben nur von Herzschlag zu Herzschlag. Dazwischen wohnt der Tod. Setzt nach einem Herzschlag kein nächster ein, bleibt die Uhr des Lebens stehen. […] Ihr Herzschlag ist mein Beruf.
Sechzig bis achtzig Mal in der Minute erzeugt dieser Ton Leben. Viele Herzen schlagen ruhig und kräftig, manche in steter Hetze. Auch wenn das Herz gelegentlich stolpert, es versucht immer weiterzumachen. Ich habe viele Herzen gesehen, die sich mit letzter Kraft dahinschleppten. Das Herz kennt kein Wochenende und keinen Urlaub.
An Ihrem fünfundsiebzigsten Geburtstag hat es rund drei Milliarden Mal geschlagen. Es hat seine Arbeit schon acht Monate vor Ihrer Geburt aufgenommen – zweiundzwanzig Tage nach der Zeugung. […] Wir Menschen spüren tief im Inneren: Das Herz ist die Quelle allen Lebens.«
Reinhard Friedl nimmt uns mit auf seine Weg vom Chirurgen, der seine Gefühle total ausschalten muss, damit seine Hände bei einer Operation nicht zittern, bis zum Erleben der emotionalen Kraft seines Herzens. Dabei flicht er Ergebnisse der Neuro- und Psychokardiologie ein, welche immer mehr die komplexe Verbindung zwischen Herz, Blut, Gehirn UND SEELE offenbaren. Dazu gehört beispielsweise, dass zweiundzwanzig Tage nach unserer Zeugung das als Liebes- oder Kuschelhormon bekannte Oxytocin den ersten Herzschlag auslöst, der uns dann ein Leben lang begleitet. Unser Herzbewusstsein gibt es also schon bevor sich unser Gehirn entwickelt und wir denken können.
Oder ist uns eigentlich bewusst, dass das Herz mit seinem Nervensystem aus zigtausend Neuronen weitaus mehr wahrnehmen und dem Gehirn mitteilen kann, als bisher geglaubt wurde? Der Autor ist inzwischen überzeugt, dass in der bewussten Wahrnehmung unseres Herzens als Sinnesorgan die Quelle unserer Gesundheit bzw. Heilung liegt. Denn auch, wenn in unserem biologischen Herzen keine buchstäblichen Augen oder Ohren gefunden wurden, keine Sensoren für Liebe und Mitgefühl und keine Pumpe, die Mut und Stärke ausstößt, erleben wir doch alle diese Herzensqualitäten, so der Autor, als eine innere Realität. Nebenbei erfahren wir von ihm, dass es den medizinischen Begriff der Herzohren (Auriculae cordis) gibt, die Ausstülpungen an den Vorhöfen des Herzens sind, die dem biologischen Herzen eine gewisse Herzform geben.
Früher kümmerte sich Reinhard Friedl ausschließlich als Chirurg um seine Patienten, heute interessiert ihn, wie er selbst zum Ausdruck bringt, der ganze Mensch. Und er hört heute mit seinem Herzen zu, wenn dieser sagt: »Herr Doktor, ich fühle mich, als würde mir ein Stein auf die Brust drücken.« Vielleicht müssen ja in einigen Fällen Herzrhythmusstörungen oder Herzenge nicht medikamentös oder operativ behandelt werden, da die Ursache dafür gar nicht im Körperlichen liegt, sondern in einem »gebrochenen Herzen«. Wie befreiend, wenn dann nach einer ganzheitlichen Behandlung symbolisch »der Stein vom Herzen gefallen ist«!
Aus meiner Sicht ist Der Takt des Lebens ein großartiges Buch, das meine Wertschätzung für mein lebenslang schlagendes Herz enorm vergrößert hat. Ich verstehe nun noch besser, was Herzkohärenz bedeutet. Wenn die Rhythmen von Atmung, Herzschlag und Blutdruck optimal synchronisiert sind, dann sind wir in einem kohärenten Zustand, der sich in einer Harmonisierung von Herzschlag und Gehirnwellen sogar anhand von Messgeräten zeigen lässt. Die Herzratenvariabilität, die auch als Herzkohärenzmessung bezeichnet wird, gilt als wichtiger Indikator für das Verhältnis von Sympathikus und Parasympathikus, für unser inneres Gleichgewicht von körperlicher Anspannung und Entspannung.
Gleichzeitig habe ich wie Reinhard Friedl auf seiner spirituellen Reise begriffen, wie wichtig es ist, auf die »Stimme des Herzens« zu hören, die untrennbar mit dem organischen Herzen verbunden ist. Denn das Herz aus sich heraus ist stark, lebensbejahend und positiv – mit anderen Worten Rüssel hoch! Das hochenergetische elektromagnetische Feld des Herzens, welches noch in über einem Meter messbar ist, ist sogar größer als das des Gehirns.
Denken wir daran, wenn wir das nächste Mal unseren Herzschlag – den Tanz unseres Herzens – bewusst wahrnehmen, denn der Takt unseres Herzens ist so einzigartig wie unser Fingerabdruck:
»BuBumm, BuBumm, BuBumm – das gesunde Herz macht zwei Töne, von denen der erste etwas kürzer klingt. Es ist keine monotone Marschmusik, kein BummBumm, BummBumm, sondern ergibt, durch den verkürzten ersten Takt, einen tänzerischen, leichten Rhythmus.«
Wenn euch der Beitrag gefallen hat, würden wir uns über einen Kommentar von euch sehr freuen. Ihr könnt euch gern zu unserem monatlichen Newsletter anmelden.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!