Fotoausflug – Die Rose vom Grunewald

Unser Fotoausflug begann am Bahnhof Grunewald, wo seit einigen Jahren weiße Rosen als Trauerblumen am Gleis 17 abgelegt werden, um nicht zu vergessen, dass von hier aus am 18. Oktober 1941 der erste der Berliner Reichsbahn-Transporte ausging, mit denen mehr als 50.000 Juden aus Berlin in die todbringenden Konzentrationslager deportiert wurden. Doch daran dachten wir beide nicht, als wir tiefer in den Grunewald wanderten, um in die erholsame Stille des Waldes einzutauchen.

Auf einmal zog eine mächtige, moosbedeckte Eiche unsere Aufmerksamkeit auf sich, die zwischen vielen Kiefern stand. Wie magisch von ihr angezogen, verließen wir den Wanderweg und gingen auf die Eiche zu, die vereinzelt auf einer kleinen Lichtung stand.

Fast wäre ich unterwegs über einen Baumstumpf gestolpert. Interessant, dachte ich, der Baumpilz auf diesem bemoosten Baumstumpf sieht aus wie eine aufgeblühte schwarze Rosenblüte mit grünschimmernden Rändern.

Neben dieser mystisch anmutenden schwarzen Rose lag ein braunes, kurzstieliges Blatt mit den besonders runden Ausbuchtungen einer Stieleiche, auch Sommereiche oder Deutsche Eiche genannt. Wie alt sie wohl war, diese lichtbedürftige Stieleiche, die sich hier inmitten der vielen Kiefern des Grunewalds so majestätisch behauptete?

Bis zu 40 m hoch und über 1.000 Jahre alt kann sie werden. Ehrfürchtig sahen wir an dem Eichenstamm mit der tiefrissigen Borke und zu den alten knorrigen Ästen hinauf, die sich der Sonne entgegenstreckten – was für eine Triebkraft doch in ihr steckte! Und was für eine Standfestigkeit, wenn wir daran dachten, dass die Stieleiche dank ihrer kräftigen Pfahlwurzel äußerst sturmfest war.

Wir fühlten uns neben diesem Baum unglaublich stark geerdet. Am eigenen Leib konnten wir spüren, was früheste Studien zur gesundheitlichen Wirkung des Waldes zeigen, nämlich das schon allein der Anblick von Bäumen messbar positiv auf unsere Gesundheit wirkt.

[1984 stellte der schwedische Forscher Roger Ulrich bei einer Studie fest, dass Patienten, die nach einer Operation aus dem Krankenhausfenster auf eine Grünfläche mit Bäumen blickten, einen Tag früher entlassen werden konnten als die Vergleichsgruppe und mit weniger Schmerzmitteln auskamen. Später untermauerte er diese Ergebnisse, indem er nachwies, dass sich herzkranke Patienten, die auf das Foto eines bewaldeten Flussufers geschaut hatten, schneller erholten und weniger Medikamente brauchten als Patienten, die abstrakte Malerei oder gar kein Bild vor Augen hatten.

Ulrich, S. Roger, Science, View through a window may influence recovery from surgery, 27 Apr 1984: Vol. 224, Issue 4647, pp. 420-421, DOI: 10.1126/science.6143402]

Beeindruckt von der Wirkung des Baumes, trat ich ein paar Schritte zurück, um diese alte Eiche, die uns so viel Energie schöpfen ließ, in ihrer ganzen Größe auf einem Foto zu verewigen.

Doch plötzlich – ich konnte es kaum glauben – sah ich eine einzelne rote Rose mitten im grünen Moos des Waldbodens liegen. Wie war sie dorthin gekommen, mitten in den Grunewald, abseits der Wanderpfade? Jedenfalls war sie nicht verloren worden, denn sie lag schön drapiert auf einem Baumstamm, ja sogar inmitten eines Ensembles aus hellgrün bemoosten Ästen, von denen einer aussah, wie ein Mund, der seinen ganzen Kummer und Schmerz herausschrie. Was für eine dramatische Inszenierung!

Die Rose wirkte relativ frisch, war noch etwas feucht vom Tau der Nacht und sprach Bände. Wie groß musste der Herzenskummer gewesen sein, der das gequälte Herz mitten in den Grunewald trieb, um dort seinen Liebeskummer in Form dieser roten Rose der heilsamen Kraft des Waldes zu übergeben? Wie viele Tränen haben an dieser Stelle den Waldboden berührt? Hat sich das kummervolle Herz nach diesem ganz besonderen Abschied mitten im Grunewald leichter gefühlt?

Rose vom Grunewald – du hast jedenfalls mein Herz berührt, als ich dich hier ganz überraschend fand. Deine zerbrechliche Schönheit und die Tragik des Fundes, welche meine Gedanken und Gefühle an diesem magischen Ort unweit der alten Eiche zusammengesponnen haben, faszinierten mich.

So blieb diese rote Rose in meinem Herzen und meinem Sinn, auch als noch viele Wanderschritte bis zum Grundewaldturm folgten, schließlich am Teufelssee vorbeiführten, um kurz danach in der Abendsonne noch ein Blick auf eine riesengroße Sanddüne im Berliner Grunewald zu werfen, eine ehemalige Kiesgrube, die nun Naturschutzgebiet ist.

Fast 15 Kilometer haben wir wandernd zurückgelegt und die heilsame Kraft des Waldes auf uns wirken lassen, eine natürliche Medizin, die unser Nervensystem beruhigte und unser Immunsystem stärkte. Waldatmosphäre tut einfach gut.

[Denn Bäume, im Winter insbesondere die Nadelbäume, sondern Botenstoffe ab, durch die sie miteinander kommunizieren. Studien zeigen, dass durch das Einatmen dieser Terpene unsere Abwehrzellen vermehrt werden. Gemäß dem japanischen Forscher Qing Li hält dieser Effekt mehr als 30 Tage an, so dass ein monatliches »Waldbaden« (japan. Shinrinyoku) als natürliche Medizin gegen Stress sehr zu empfehlen ist.

Li, Qing, Effect of forest bathing trips on human immune function, Environmental health and preventive medicine vol. 15,1 (2010): 9-17. doi: 10.1007/s12199-008-0068-3]

Nun ist bald wieder Valentinstag und viele Rosen werden anonym verschenkt werden, um »durch die Blume« Gefühle auszudrücken. Während rote Rosen für leidenschaftliche Liebe stehen und weiße Rosen ewige Treue bedeuten, gibt es floristisch gesehen weitere Farben und Bedeutungen in der Sprache der Rosen, der Königin der Blumen.

Rosa in den verschiedensten Schattierungen ist ein Symbol für die sich entwickelnde Liebe. Gelbe Rosen sind eher für Freunde und können in diesem Kontext Dankbarkeit ausdrücken. Orangefarbene Rosen strahlen Wärme, Glück und Geborgenheit aus. Violette Rosen zeigen Verzauberung und Bewunderung an.

Blaue Rosen, die eigentlich künstlich eingefärbte weiße Rosen sind, bringen das ganz Besondere, das vielleicht Unerreichbare zum Ausdruck. Vielleicht sollen blaue Rosen dem Beschenkten sagen: »Du bist einmalig und außergewöhnlich.« Vielleicht sollen sie aber auch eine unerfüllbare Sehnsucht ausdrücken, denn eine natürlich wachsende königsblaue Rose gibt es nicht, sie ist nur ein Wunschtraum, da ihr das Erbgut für die blauen Farbpigmente gänzlich fehlt. Selbst die gentechnisch veränderte Rosensorte »Applause«, der das blaue Pigment aus einer Iris implantiert wurde, bildet eher violette als blaue Blüten.

In Literatur und Malerei stand die blaue Rose lange Zeit für geheimnisvolle Romantik. Blaue Blumen mit ihrem mystischen Zauber beflügelten die Fantasie und wurden immer mehr zu einem Sehnsuchtsmotiv, einem Sinnbild für die Sehnsucht nach der Ferne, für ein Streben nach dem Unendlichen, dem Spirituellen, dem Freigeistigen – für die ewige Suche und Sehnsucht nach dem Glück. Eine ganz andere Bedeutung haben heutzutage blaue Rosen in Japan. Sie gelten dort als Symbol erfüllter Liebe und werden gerne zu Hochzeiten verschenkt.

Dabei wirkt eine einzelne Rose dezenter als ein ganzer Rosenstrauß, aber auch die Anzahl kann eine Botschaft verbergen: eine Rose »Liebe auf den ersten Blick«, zwei Rosen »Gegenseitige Liebe« und drei Rosen »Ich liebe dich«. Mit sechs verschenkten Rosen sagt man »Ich will dein sein«, mit sieben Rosen »Ich bin Hals über Kopf in dich verliebt«. Mit neun Rosen drückt man die ewige Liebe aus und mit zehn, dass der Beschenkte perfekt ist.

Perfekt war auch dieser gemeinsame Wandertag mit der magischen Zauberkraft einer alten Eiche und der einer roten Rose mitten im Berliner Grunewald.

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